Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
verkauft). Der Titel »König von Jerusalem« ging an den König von Zypern über, war aber nur noch eine pittoreske Zierde – und ist es bis heute geblieben. Damit endete das Königreich Jerusalem. [164] Auch das reale Jerusalem überlebte nur mit knapper Not – weniger als Stadt denn als vergreisendes, unbefestigtes und halb verlassenes Dorf, das mongolische Reiterhorden nach Belieben überfielen.
Ein Pilger, der alte spanische Rabbi Ramban, betrauerte den Niedergang Jerusalems:
Ich vergleiche dich, meine Mutter, mit der Frau, deren Sohn in ihrem Schoß starb und deren Brüste nun von der Milch so schmerzen, dass sie Welpen säugt. Und trotz alledem haben deine Liebhaber dich verlassen und deine Feinde dich verwüstet, aber in weiter Ferne erinnern sie sich an die Heilige Stadt und verherrlichen sie. [122]
Nachmanides, genannt Ramban
Rabbi Moses ben Nachman, bekannt unter der hebräischen Abkürzung seines Namens Ramban oder schlicht Nachmanides, stellte erstaunt fest, dass es in Jerusalem nur noch 2000 Einwohner gab, darunter nur 300 Christen und nur zwei Juden, Brüder, die Färber waren wie die Jerusalemer Juden unter den Kreuzfahrern. Je trostloser Jerusalem für die Juden war, umso heiliger und poetischer erschien ihnen die Stadt: »Was ist heiliger, verwüsteter«, dachte Ramban.
Ramban war einer der inspirierendsten Denker seiner Zeit, Arzt, Philosoph, Mystiker und Thoragelehrter. Er hatte Barcelonas Juden 1263 so geschickt gegen dominikanische Vorwürfe der Blasphemie verteidigt, dass König Jakob von Aragon feststellte: »Ich habe noch nie erlebt, dass jemand eine falsche Sache so gut verteidigt.« Er gab Ramban 300 Goldstücke, aber die Dominikaner strebten seine Hinrichtung an. Als Kompromiss wurde der Siebzigjährige verbannt – und machte sich auf seine Pilgerfahrt.
Nach seiner Überzeugung sollten Juden nicht nur um Jerusalem trauern, sondern zurückkehren, sich dort niederlassen und die Stadt vor der Ankunft des Messias wiederaufbauen – man könnte es religiösen Zionismus nennen. Nur Jerusalem konnte sein Heimweh lindern:
Ich verließ meine Familie, entsagte meiner Heimat, meinen Söhnen und Töchtern. Ich ließ meine Seele bei den lieben und geliebten Kindern, die ich auf meinen Knien großgezogen habe. Aber der Verlust alles anderen wird von der Freude aufgewogen, einen Tag in deinen Höfen zu weilen, o Jerusalem! Ich weinte bitterlich, aber in meinen Tränen fand ich Freude.
Ramban belegte ein »heruntergekommenes Haus mit Marmorsäulen und einer schönen Kuppel. [165] »Wir nahmen es als Gebetshaus, denn die Stadt ist ein Trümmerfeld, und wer immer sich Ruinen aneignen will, tut es.« Er trieb auch die Thorarollen auf, die man vor den Mongolen versteckt hatte, aber kurz nach seinem Tod tauchten die Plünderer wieder auf. [123]
Aber dieses Mal war es anders: Einige von ihnen waren Christen. Im Oktober 1299 galoppierte der christliche König von Armenien, Hethum II., mit 10 000 Mongolen in Jerusalem ein. Die Stadt zitterte vor einer erneuten barbarischen Plünderung, und die wenigen Christen »versteckten sich vor Furcht in Höhlen«. Der Mongole Il-Khan war kürzlich zum Islam übergetreten, aber die Mongolen hatten wenig Interesse an Jerusalem und überließen die Stadt Hethum. Er rettete die Christen, feierte »Feste in der Grabeskirche« und ordnete an, die armenische Jakobuskirche und das Mariengrab instand zu setzen – nach nur zwei Wochen kehrte er seltsamerweise zu seinem mongolischen Herrn nach Damaskus zurück. Aber das hundert Jahre lange Duell zwischen Mamelucken und Mongolen war beendet, und Jerusalems Heiligkeit zog die Welt wieder an wie ein Magnet. In Kairo bestieg ein neuer Sultan, der Jerusalem verehrte und sich unter anderem »Sultan al-Quds« nannte, den Thron. Nasir Muhammad gab sich den Beinamen »der Adler«, sein Volk nannte ihn »den Vorzüglichen«, und laut dem führenden Historiker seiner Zeit war er »der vielleicht größte Mameluckensultan«, aber auch »der schlimmste«.
Nasir Muhammad: der vorzügliche Adler
Seit seinem achten Lebensjahr hatten die Kriegsherren der Mamelucken-Junta Nasir Muhammad demütigend hin und her gestoßen wie eine Königspuppe. Zweimal hatten sie ihn auf den Thron gehoben und zweimal wieder abgesetzt. Er war der jüngere Sohn eines Sklaven, der zu einem großen Sultan aufgestiegen war; sein älterer Bruder, der Eroberer von Akko, wurde ermordet; als Nasir Muhammad nun im Alter von 26 Jahren zum dritten Mal den Thron bestieg,
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