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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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es als seine Mission an, den Tempelberg und seine Umgebung, das heutige muslimische Viertel, wieder zur heiligen Stätte zu machen und zu verschönern. Umgehend ordnete er die Renovierung des Felsendoms und der al-Aqsa-Moschee an und förderte als Konkurrenz zum christlichen Osterfest ein neues Fest, das seinen Anfang vielleicht schon unter Saladin nahm; dazu errichtete er einen Kuppelbau über dem Grab des Propheten Moses bei Jericho. In den folgenden achthundert Jahren feierten Jerusalemer Nabi Musa mit einer Prozession vom Felsendom bis an Baibars’ Heiligtum, wo sie sich zu Gebeten, Picknicks und Festen versammelten.
    Unmittelbar nordwestlich der Stadtmauern baute der Sultan ein Kloster für seinen favorisierten Sufiorden. Wie viele Mamelucken förderte er den populistischen Mystizismus der Sufis, nach deren Überzeugung Leidenschaft, Gesänge, heilige Kulte, Tänze und Selbsterniedrigung Muslime Gott näher bringen könnten als das strenge traditionelle Gebet. Baibars’ engster Vertrauter war ein Sufischeich, mit dem er den Sufi- Zikr rezitierte und tanzte. Baibars vertraute dem Scheich vorbehaltlos, tat nichts ohne dessen Billigung und erlaubte ihm, die Plünderung von Kirchen und Synagogen sowie Lynchmorde an Juden und Christen zu organisieren. [162] Es war eine neue Ära angebrochen: Baibars und seine mameluckischen Nachfolger, die Jerusalem in den folgenden 300 Jahren beherrschen sollten, waren harte, unduldsame Militärdiktatoren. Das Zeitalter islamischen Rittertums, das Saladin verkörpert hatte, war vorbei. Die Mamelucken waren eine türkische Herrenkaste, die Juden zwangen, gelbe Turbane zu tragen, während Christen Blau tragen mussten. Für beide, besonders aber für die Juden, waren die Zeiten vorüber, in denen sie als Dhimmis Schutz genossen hatten. Die türkischsprachigen Mamelucken verachteten auch Araber und erlaubten nur Mamelucken, Pelze und Rüstungen zu tragen oder in Städten ein Pferd zu reiten. An ihrem prunkvollen Hof verliehen die Sultane ihren Höflingen schillernde Titel wie »Träger des königlichen Poloschlägers« oder »Amir, dem Ständchen zu bringen sind«, – aber die politischen Spielchen bei Hofe waren oft ebenso tödlich wie lukrativ.
    Baibars’ Symbol war ein schleichender Panther, mit dem er seine Siege markierte – acht von ihnen wurden an Inschriften zwischen Ägypten und der Türkei gefunden, und in Jerusalem schleichen sie immer noch um das Löwentor. Kein Symbol war passender für dieses schreckliche Raubtier mit einem weißen Auge, das sich nun auf einen Eroberungsfeldzug machte.
    Nachdem Baibars Jerusalem inspiziert hatte, griff er Akko an – ohne Erfolg, aber er sollte noch oft wiederkommen. Nacheinander stürmte er die anderen Kreuzfahrerstädte und tötete mit krankhaft sadistischer Begeisterung. Er umgab sich mit Köpfen von Christen, wenn er fränkische Gesandte empfing, kreuzigte, zweiteilte und skalpierte seine Feinde und baute Schädel in die Mauern gefallener Städte ein. Er genoss es, sich auf gewagte Abenteuer einzulassen, indem er inkognito feindliche Städte ausspähte oder in Verkleidung mit Feinden verhandelte; und selbst in Kairo inspizierte er seine Amtsstuben mitten in der Nacht und war so rastlos und paranoid, dass er an Schlaflosigkeit und Bauchschmerzen litt.
    Nachdem Akko gegen ihn standgehalten hatte, [163] zog er weiter nach Norden und eroberte Antiochia, von wo er dem Fürsten der Stadt schrieb: »Hättest Du Deinen Feind, den Muslim, den Ort der Messe zertrampeln sehen, wie Mönche, Priester und Diakone auf dem Altar geschlachtet, … wie sich der Brand in Deinen Palästen ausbreitete, Eure Toten im Feuer dieser Welt schon brannten vor dem der anderen … du hättest gesagt: ›O wäre ich Staub, hätte ich nie einen Brief mit einer solchen Nachricht bekommen.‹« Dann marschierte er weiter nach Anatolien und krönte sich zum Sultan von Rum. Da aber die Mongolen zurückgekommen waren, musste Baibars umgehend zurückkehren, um Syrien zu verteidigen.
    Am 1. Juni 1277 fiel er seiner eigenen makabren Genialität zum Opfer, als er für einen Gast ein Getränk – qumiz , fermentierte Stutenmilch, die bei Türken und Mongolen beliebt war – vergiftete, dann aber versehentlich selbst trank. [121] Seine Nachfolger führten sein Werk zu Ende.
    Am 18. Mai 1291 stürmten die Mamelucken die fränkische Hauptstadt Akko, metzelten die meisten Verteidigungskräfte nieder und versklavten die übrigen (Mädchen wurden für jeweils nur eine Drachme

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