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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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Aschkenas, einem Nachfahren Noahs in der Genesis, von dem angeblich die nördlichen Völker abstammten). Die turbulenten Verhältnisse in der Welt förderten den Mystizismus der Juden: Ein Rabbi namens Isaak Luria lehrte die Kabbala, das Studium der geheimen Hinweise in der Thora, die sie der Gottheit näher bringen würden. Luria wurde in Jerusalem geboren, ließ sich aber in der magischen Bergsiedlung Safed in Galiläa nieder. Die traumatischen Verfolgungen in Spanien hatte viele Juden gezwungen, zum Schein zum Christentum überzutreten und ein Geheimleben zu führen – tatsächlich entstand die heilige Schrift der Kabbala, das Buch Zohar, im 13. Jahrhundert in Kastilien. Die Kabbalisten suchten Majestät, Furcht und Zittern – »die ekstatische Erfahrung, den unendlichen Aufschwung der Seele zur höchsten Stufe, die Vereinigung mit Gott«. Freitags begrüßten die Kabbalisten in weißen Gewändern die »Braut Gottes«, die Schechina, außerhalb der Stadt und geleiteten diese göttliche Präsenz in ihre Häuser. Unweigerlich spekulierten die Kabbalisten, dass die traumatische Erfahrung der Juden und ihre Geheimlehren und Gesänge den Schlüssel zur Erlösung enthielten: Der Messias würde doch sicher nach Jerusalem kommen?
    Obwohl es gelegentlich antichristliche Aufstände und Beduinenüberfälle gab und osmanische Statthalter Jerusalem auspressten, blieb die Stadt in ihren Ritualen sich selbst überlassen. Die Fehden zwischen orthodoxen, armenischen und katholischen Christen in diesem osmanischen Provinznest bestätigten nur die Vorurteile einer neuen Art von Besuchern, die halb Pilger, halb Kaufleute und Abenteurer waren: Die Protestanten. Meist waren es englische Kaufleute, die eine heftige Abneigung gegen Katholiken hegten und oft Verbindungen in die neuen Kolonien in Amerika besaßen. [130]
    Als der englische Kapitän und Kaufmann Henry Timberlake nach Jerusalem kam, hatten die osmanischen Statthalter noch nie etwas vom Protestantismus oder von seiner Königin Elisabeth gehört, warfen ihn neben der Grabeskirche ins Gefängnis und ließen ihn erst frei, nachdem er eine Strafe bezahlt hatte. Die überschwänglichen Erinnerungen an seine Abenteuer erschienen unter dem Titel A True and Strange Discourse und wurden im England Jakobs I. ein Bestseller. Ein anderer dieser wagemutigen Engländer, der Kommissionär der Levant Company, John Sanderson, bezahlte den Türken den Eintritt in die Grabeskirche, wo aber die Franziskanermönche über ihn herfielen und ihn »bezichtigten, Jude zu sein«. Daraufhin verhafteten die Türken ihn, versuchten, ihn zum Islam zu bekehren und brachten ihn vor den Kadi, der ihn durchsuchte und als Christen freiließ.
    Fanatische Akte von Christen wie auch Muslimen lösten Gewalt aus, die die realen Grenzen der vielgerühmten osmanischen Toleranz offenbarten. So schloss der osmanische Statthalter die beliebte Rambansynagoge auf Ersuchen der Ulema: Juden durften nicht mehr dort beten, und das Gebäude wurde als Lager genutzt. Als die Franziskaner in aller Stille ihre Gebäude auf dem Berg Zion erweiterten, verbreitete sich das Gerücht, sie bauten einen Tunnel nach Malta, um die christlichen Armeen in die Stadt zu holen: Der Kadi und der Pöbel griffen sie an, und nur das Eingreifen der osmanischen Garnison konnte sie retten. Eine portugiesische Nonne, die muslimische Kinder taufte und den Islam schmähte, wurde auf einem Scheiterhaufen im Hof der Grabeskirche verbrannt. [175]
    Ostern 1610 traf ein junger Engländer in Jerusalem ein, der nicht nur den neuen Protestantismus, sondern auch die Neue Welt repräsentierte. [131]
    George Sandys: der erste AngloAmerikaner
    Der Gelehrte George Sandys, Sohn des Erzbischofs von York und englischer Vergilübersetzer, war entsetzt über den Verfall Jerusalems, das »in weiten Teilen brach liegt, alle alten Gebäude verfallen, die neuen sind nichtswürdig«. Sandys war halb abgestoßen, halb amüsiert über die Ladino sprechenden sephardischen Juden, die er an der Westmauer sah: »ihre grotesken Gesten übertreffen mit ihrem lächerlichen Nicken jegliche Barbarei« und machten es »unmöglich nicht zu lachen«, wie er fand. Noch mehr stieß den gottesfürchtigen Protestanten das Auftreten der orthodoxen Christen und der Katholiken ab, das er als vulgär und marktschreierisch empfand. Die Stadt, »einst heilig und glorreich, von Gott als Sitz auserwählt«, war nur noch ein »Mysterien- und Wunderspektakel«.
    Ostern war Sandys über Christen und

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