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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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aufbauen, da er als hochsensibler Machtkenner wusste, dass das reale Jerusalem Süleyman vorbehalten war.
    Dennoch unterstützte Joseph als Mäzen die jüdischen Gelehrten in Jerusalem, wo Süleyman die Überlegenheit des Islam förderte und den Stellenwert der anderen beiden Religionen so sorgfältig reduzierte, dass die Stadt bis heute davon geprägt ist. Da Süleyman gegen Kaiser Karl V. kämpfte, wirkten die zynischen Erfordernisse der europäischen Diplomatie sich in gewissem Maße mäßigend auf seine Haltung gegenüber den Christen aus. Dagegen spielten die Juden kaum eine Rolle.
    Noch immer beteten sie an den Mauern des Tempelbergs, an den Hängen des Ölbergs und in ihrer Hauptsynagoge, der Rambansynagoge. Aber da der Sultan gern geordnete Verhältnisse hatte und alles unterband, was das islamische Monopol auf den Tempelberg untergrub, wies er den Juden eine knapp drei Meter breite Gasse an der Stützmauer des Herodestempels für ihre Gebete zu. Das war durchaus sinnvoll, da sie unmittelbar an die Höhlensynagoge und an das jüdische Viertel grenzte, wo die Juden sich seit dem 14. Jahrhundert niedergelassen hatten und das noch heute das jüdische Viertel heißt. Diese Stätte lag jedoch im Schatten des islamisch-maghrebinischen Viertels, daher waren die Juden bei ihren Gebeten dort strengen Regeln unterworfen und brauchten später sogar eine Genehmigung, um überhaupt dort beten zu dürfen. Bald nannten die Juden diese Stätte ha-Kotel , die Mauer; Außenstehende bezeichneten sie als Westmauer oder Klagemauer, und seither wurden ihre goldgelben Hausteine zum Symbol Jerusalems und zum Zentrum der Heiligkeit.
    Die Christen verwies Süleyman auf ihren Platz, indem er die Franziskaner aus dem Davidsgrab vertrieb, wo seine Inschrift verkündet: »Der Kaiser Süleyman befahl, diesen Ort von Ungläubigen zu reinigen und zur Moschee zu machen.« Diese für alle drei Religionen heilige Stätte aus der Zeit des Byzantinischen Reichs und der Kreuzfahrer, eine frühe jüdische Synagoge und der christliche Abendmahlssaal wurde nun zum islamischen Schrein des Nabi Daoud, des Propheten David, für den Süleyman eine Familie von Sufischeichs, die Dajanis, zu Erbwächtern ernannte, ein Amt, das sie bis 1948 versah.
    Schon immer hatte die Politik der Außenwelt sich auf das religiöse Leben Jerusalems ausgewirkt: Bald hatte Süleyman Grund, die Franziskaner zu begünstigen. Denn im Kampf um Mitteleuropa stellte er fest, dass er christliche Verbündete – die Franzosen – brauchte, um die Habsburger zu bekämpfen, und die Franziskaner hatten die Unterstützung des französischen Königs. Also räumte Süleyman den Franzosen Handelsprivilegien ein und erkannte die Franziskaner als Verwalter der christlichen heiligen Stätten an. Das war die erste der sogenannten Kapitulationen – europäischen Mächten eingeräumten Konzessionen –, die das Osmanische Reich später untergraben sollten.
    Die Franziskaner richteten ihren Hauptsitz im Erlöserkloster nahe der Grabeskirche ein, und im Laufe der Zeit entwickelte sich dieser Komplex zu einer eigenen katholischen Stadt innerhalb der Stadt. Aber ihr Aufstieg störte die orthodoxen Christen. Zwischen Katholiken und Orthodoxen herrschte ohnehin schon ein von Hass vergiftetes Klima, das noch verschlimmert wurde, weil beide Seiten Anspruch auf die Oberhoheit, das Prädominium über die heiligen Stätten erhoben. Mittlerweile teilten sich acht Religionsgemeinschaften die Grabeskirche in einem geradezu darwinistischen Kampf, in dem nur der Stärkste überleben konnte. Manche stiegen auf, andere stiegen ab. Die Armenier blieben mächtig, weil sie in Istanbul gut vertreten waren, die Serben und Maroniten befanden sich im Niedergang – und die Georgier, die ihre mameluckischen Schutzherren verloren hatten, verschwanden völlig von der Bildfläche. [173]
    Der ausufernde Konflikt zwischen den islamischen und christlichen Herrschern, der aggressive Katholizismus der Spanier und die Vertreibung der Juden schürten das beunruhigende Gefühl, dass unter dem Firmament etwas nicht stimmte: Menschen fingen an, ihren Glauben in Frage zu stellen, sie suchten nach neuen mystischen Wegen, Gott näher zu kommen, und erwarteten das Ende aller Tage. Martin Luther, ein Theologieprofessor aus Wittenberg, protestierte 1517 gegen die kirchliche Praxis, »Ablassbriefe« zur Verkürzung der Zeit im Fegefeuer zu verkaufen; er vertrat, Gott offenbare sich allein durch die Bibel und nicht durch die Rituale von

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