Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
I. 1649 enthauptet wurde, setzte sich Oliver Cromwell als Lord Protektor durch, ein Streiter für das Tausendjährige Reich Christi, der überzeugt war, dass die Puritaner wie ihre Brüder in Neuengland das neue auserwählte Volk seien.
»Wahrhaftig, ihr seid wie Juda von Gott berufen, mit und für Ihn zu herrschen«, erklärte er. »Ihr steht unmittelbar vor den Verheißungen und Prophezeiungen.« Cromwell war Hebraist und glaubte, dass Christus nicht erneut kommen würde, bis die Juden nach Zion zurückgekehrt und zum Christentum bekehrt seien. Die Puritaner waren effektiv die ersten christlichen Zionisten. Joanna und Ebenezer Cartwright schlugen sogar vor, die britische Marine solle »Israels Söhne und Töchter für ein ewigwährendes Erbe mit ihren Schiffen in das verheißene Land ihrer Vorväter bringen«.
Viele Juden studierten eingehend die Kabbala und träumten davon, dass der Messias ihre ukrainische Tragödie in die Erlösung umwandeln werde. Ein holländischer Rabbi, Menasseh ben Israel, richtete eine Petition an Cromwell und wies auf die Bibel hin, in der es hieß, Juden müssten in alle Winkel der Welt verstreut sein, bevor ihre Rückkehr nach Zion die Wiederkunft des Messias einleiten werde – aber sie seien nach wie vor aus England verbannt. Cromwell berief eigens eine Konferenz ein, die Whitehall Conference, die es für falsch befand, »dieses niedere, verachtete Volk vom Licht auszuschließen und unter falschen Lehrern, Papisten und Götzenanbetern zu lassen«. Cromwell erlaubte die Rückkehr der Juden nach England. Nach seinem Tod wurde die Monarchie wiederhergestellt, und sein puritanischer Messianismus verlor seine Macht, aber in den amerikanischen Kolonien und unter den englischen Nonkonformisten hielt sich seine Botschaft, um zweihundert Jahre später in der evangelikalen Erweckungsbewegung erneut aufzublühen. Kurz nach der Restauration der englischen Monarchie geriet die jüdische Welt in Erregung: Der Messias war in Jerusalem – oder nicht? [132]
Der Messias: Sabbatai Zewi
Er hieß Mordecai und war der unausgeglichene Sohn eines Geflügelhändlers aus Smyrna, der die Kabbala studierte und sich 1648 zum Messias erklärte, indem er das unaussprechliche Tetragramm aussprach. Dabei handelte es sich um den unaussprechlichen Namen Gottes, basierend auf den vier hebräischen Buchstaben YHWH, der nur einmal im Jahr am Tag des Sühnefestes vom Hohepriester im Tempel ausgesprochen werden durfte. Von nun an nannte er sich Sabbatai Zewi und verkündete, der Tag des Jüngsten Gerichts werde 1666 kommen. Man vertrieb ihn aus Smyrna, aber auf seinen Handelsreisen im Mittelmeerraum gewann er allmählich die Unterstützung eines ganzen Netzwerks wohlhabender Anhänger. Er zog 1660 zunächst nach Kairo und später nach Jerusalem, wo er fastete, sang, Süßigkeiten an Kinder verteilte und merkwürdige, beunruhigende Taten vollbrachte.
Sabbatai besaß eine verwegene, aber verrückte Anziehungskraft – eindeutig war er manisch depressiv und schwankte zwischen ansteckendem Glauben an sich, verzweifelter Melancholie und euphorischen Hochgefühlen, die ihn zu dämonischen, manchmal auch schamlos erotischen Mätzchen trieben. In jeder anderen Epoche hätte man ihn als obszönen, sündigen Verrückten abgetan, aber in diesen Katastrophenzeiten waren viele Juden ohnehin schon in einem Zustand kabbalistischer Erwartung. Seine Verrücktheit galt sicher als echtes Kennzeichen des Heiligen.
Da die Jerusalemer Juden durch die osmanischen Steuern verarmt waren, baten sie Sabbatai, Geld bei seinen Förderern in Kairo aufzutreiben, was er auch tat. Er war in seiner Mission zwar erfolgreich, konnte aber nicht alle überzeugen, als er sich in Jerusalem zum Messias erklären wollte. Nach langen Debatten verhängten die Rabbis einen Bann über ihn. Wütend ging er nach Gaza, machte den Ort anstelle von Jerusalem zu seiner heiligen Stadt und begann sein messianisches Amt in Aleppo.
Hatte seine Offenbarung als Glimmen begonnen, so explodierte sein Ruhm nun förmlich und breitete sich aus wie ein Buschfeuer. In der ganzen Diaspora von Istanbul bis Amsterdam feierten Juden die Ankunft des Messias. Ein hübsches Mädchen namens Sara hatte bei den Massakern der Kosaken in der Ukraine seine Eltern verloren, war aber von Christen gerettet und nach Livorno gebracht worden. Dort arbeitete sie als Dirne, was aber ihre Überzeugung nicht erschütterte, dass sie ausersehen sei, den Messias zu heiraten. Als Sabbatai von ihr hörte,
Weitere Kostenlose Bücher