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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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Träume, der andere war die Befreiung Jerusalems – und von Anfang an verknüpfte er beide miteinander: »Ich versicherte Euren Hoheiten, dass alle Gewinne aus dieser Reise für die Eroberung Jerusalems aufgewendet werden sollten, und Eure Hoheiten lachten und sagten, die Idee gefalle ihnen.« Der faszinierende, besessene Kolon glaubte tatsächlich, er könne Jerusalem vom Orient befreien. [172]
    Am 17. April 1492 sagten die Monarchen ihre Unterstützung für Kolons Entdeckungsreise zu und ernannten ihn zum Admiral zur See. Am 12. Oktober entdeckte Kolon – Christopher Kolumbus genannt – die Westindischen Inseln und später auf seiner dritten Reise die Küste Südamerikas. Aber vermutlich erkannte er nie, dass er die Neue Welt entdeckt hatte (die 1507 nach dem Florentiner Seefahrer und Entdecker Amerigo Vespucci benannt werden sollte). Jahre später, als sich aus seinen goldreichen Entdeckungen das Spanische Reich entwickelte, träumte Kolumbus weltfremd-idealistisch von der Endzeit und schrieb in seinem Libro de las Profecías (Buch der Prophezeiungen) an die katholischen Majestäten, dass Spanier Jerusalem und den Berg Zion wiederaufbauen würden. Der restaurierte Tempel, der Hof des »letzten Weltenkaisers«, würde mit dem Gold Ophirs – Indiens – vergoldet werden. Tatsächlich sollten zwischen Amerika und Jerusalem vielfältige Verknüpfungen entstehen, die für Admiral Kolumbus noch unvorstellbar waren, als er 1506 reich, aber rastlos wie eh und je starb.
    Am 29. April 1492, zwölf Tage nachdem sie Kolumbus’ Entdeckungsreise genehmigt hatten, kümmerten sich die beiden Monarchen um ihre Probleme mit den Juden. Viele waren inzwischen unter Zwang zum Katholizismus konvertiert, aber diese conversos stießen auf Misstrauen. Katholiken fürchteten, die »teuflischen Listen und Verführungen« heimlicher Juden könnten das reine Blut der Christenheit besudeln. Mit Unterstützung der beiden Monarchen hatte die Inquisition bereits 13 000 Angeklagte verurteilt und 2000 wegen heimlicher jüdischer Vergehen verbrannt. Nun riet der Inquisitor Tomas Torqemada ihnen, die Juden vor die Entscheidung zu stellen: Bekehrung oder Vertreibung. Isabella war eine fromme, ernste Kreuzfahrerkönigin mit eisernem Willen, Ferdinand ein zynischer, gerissener Schürzenjäger mit christlicher Mission und Machiavellis idealer König. Gemeinsam waren die katholischen Monarchen, aus deren Verbindung das Königreich Spanien hervorging, die erfolgreichsten Herrscher ihrer Zeit. Aber in diesem Fall sollten sie sich verrechnen. Ferdinand hoffte, dass die Juden nun ernsthaft konvertieren würden. Zu seiner Überraschung wurden stattdessen viele vertrieben – 75 000 bis 150 000. Auch aus Neapel vertrieb er die Juden, und in den folgenden fünfzig Jahren schlossen sich große Teile Westeuropas dieser Politik an. Über siebenhundert Jahre hinweg war Spanien die Heimat einer blühenden jüdisch-arabischen Kultur und das Zentrum der Diaspora – also der außerhalb Zions verstreuten Juden – gewesen.
    Nun flüchteten die traumatisierten sephardischen Juden (Spanien heißt auf Hebräisch Sepharad ) in die toleranteren Niederlande, nach Polen-Litauen und in das Osmanische Reich, wo Süleyman sie willkommen hieß, um seine Wirtschaft zu stärken und zugleich zu enthüllen, dass das Christentum sein jüdisches Erbe verleugnete. Die Diaspora zog nach Osten. Von nun bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts waren auf den Straßen Istanbuls, Thessalonikis und Jerusalems die lyrischen Klänge ihrer neuen jüdisch-spanischen Sprache, Ladino, zu hören.
    Süleymans jüdischer Arzt stellte dem Herrscher 1553 Joseph Nasi vor, dessen Familie man zu einer vorgetäuschten Bekehrung zum Christentum gezwungen hatte, bevor sie über Holland und Italien nach Istanbul geflohen war. Dort gewann er das Vertrauen des Sultans und diente später dessen Sohn und Erben als Geheimagent. Joseph, den europäische Diplomaten als den Großen Juden kannten, betrieb ein komplexes Handelsimperium und war als Gesandter des Sultans und internationaler Geheimdienstmann Herr über Krieg und Finanzen, Mittelsmann zwischen Ost und West. Joseph glaubte an die Rückkehr der Juden ins Gelobte Land, und Süleyman übertrug ihm die Herrschaft über Tiberias in Galiläa, wo er italienische Juden ansiedelte – als erster Jude, der Juden ins Heilige Land holte –, die Stadt wiederaufbaute und Maulbeerbäume pflanzte, um die Seidenindustrie zu fördern. Er wollte sein Jerusalem in Galiläa

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