Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
gegangen sein, als er das Jaffator passiert. »Ich ließ einen Furz fahren, als ich über die Schwelle trat, auch wenn ich über Voltairianismus meines Anus zutiefst verärgert war.« Der allen erotischen Freuden zugetane Flaubert feierte in Beirut eine Orgie mit fünf jungen Frauen, als er Jerusalem endlich hinter sich gelassen hatte: »Ich habe drei Frauen gevögelt und bin viermal gekommen – dreimal vor dem Mittagessen und einmal nach dem Nachtisch. Der junge Du Camp ist nur einmal gekommen, weil sein Glied noch wund ist von den Nachwirkungen eines Schankers, den er sich bei einer wallachischen Hure geholt hat.«
Ein ungewöhnlicher amerikanischer Reisender, David Dorr, ein schwarzer Sklave aus Louisiana, der sich selbst als »Mulatten« bezeichnete, teilte Flauberts Ansicht. Unterwegs mit seinem Herrn, kam er »mit Demut im Herzen« und voller Ehrfurcht nach Jerusalem, änderte seine Meinung aber ziemlich schnell: »Als ich so viele absurde Dinge von diesen ungebildeten Leuten hörte, war ich eher geneigt, all diese heiligen Toten und Stätten zu verhöhnen, als ihnen zu huldigen. Ich verlasse Jerusalem nach 17 Tagen in dem Wunsch, nie hierher zurückzukehren.« [200]
Doch bei aller Pietätlosigkeit konnten sich auch diese Autoren der besonderen Wirkung der Stadt nicht entziehen. Flaubert bescheinigte ihr eine »teuflische Größe«. Thackeray hatte das Gefühl, es gebe »kein Fleckchen, wohin man auch blickt, an dem nicht eine Gewalttat geschehen ist, ein Massaker, ein Mord an irgendwelchen Reisenden, ein blutiges Opferritual«. Melville empfand fast Bewunderung für die »pestbefallene Pracht« der Stadt. Als er am Goldenen Tor stand und auf die muslimischen und jüdischen Gräber blickte, sah er vor sich »eine von Totenheeren belagerte Stadt« und fragte sich, ob die Trostlosigkeit »eine Folge der tödlichen Umarmung durch die Gottheit« sei». [150]
Während die russischen Truppen auf der Krim eine Niederlage nach der anderen erlitten, brach Nikolaus unter der Belastung zusammen, wurde krank und starb am 18. Februar 1855. Im September nahmen die Engländer und Franzosen den russischen Marinestützpunkt Sewastopol ein. Russland war zutiefst gedemütigt. Nach einem Krieg, der militärisches Versagen auf allen Seiten offenbart und 750 000 Soldaten das Leben gekostet hatte, unterbreitete der neue russische Kaiser Alexander II. ein Friedensangebot. Er verzichtete auf alle imperialen Ansprüche auf Jerusalem, gewann aber immerhin die Vorrechte am Heiligen Grab für die Orthodoxie zurück, ein Status quo, der noch heute Bestand hat.
Am 14. April 1856 verkündeten Salutschüsse von der Zitadelle die Unterzeichnung des Friedensvertrages. Doch nur zwölf Tage später sah James Finn, als er der Zeremonie des heiligen Feuers beiwohnen wollte, wie »griechische Pilger, mit Knüppeln und Steinen bewaffnet, die vorher hinter den Säulen versteckt worden waren und von der Galerie heruntergeworfen wurden«, über die Armenier herfielen. »Darauf brach ein furchtbares Getümmel aus«, bemerkte er, »Wurfgeschosse wurden zur Galerie hinaufgeschleudert und zerschmetterten die Lampen, worauf Glas und Öl auf die Köpfe der unten Stehenden herunterprasselte und -tropfte. Als der Pascha von seinem Ehrenplatz auf der Galerie heruntereilte, wurde er von Schlägen am Kopf getroffen und musste hinausgetragen werden, bevor seine Soldaten mit aufgepflanzten Bajonetten in die Kirche stürmten. Als Minuten später der Patriarch in flackerndem Kerzenschein mit dem heiligen Feuer Einzug hielt, brachen die Gläubigen in verzückte Schreie aus und schlugen sich wie rasend auf die Brust«.
Die Garnison feierte den Sieg des Sultans mit einer Parade auf dem Maidan-Platz, was nicht ohne eine gewisse Ironie war, da Alexander II. das Gelände, das ehemals den Assyrern und den Römern als Feldlager gedient hatte, kurze Zeit später kaufte und ein russisches Zentrum darauf errichten ließ. Von nun an war Russland bestrebt, in Jerusalem eine kulturelle Führungsrolle zu übernehmen.
Es war ein bitterer Sieg für die Osmanen, die ihr schwächelndes islamisches Reich nur mit Hilfe christlicher Soldaten vor dem Untergang hatten bewahren können. Um seine Dankbarkeit zu zeigen und den Westen bei Laune zu halten, sah sich Sultan Abdülmecid gezwungen, die sogenannten Tanzimat-Reformen zu verwirklichen, das heißt die Verwaltung zu zentralisieren, allen Minderheiten im Land ungeachtet ihrer Religion gleiche Rechte zuzusichern und den Europäern
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