Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
Vom Netzwerk:
gerechtfertigt sie aus historischer Sicht sein mochte, zwangsläufig mit den ebenso legitimen Ansprüchen der gegenwärtigen arabischen Bevölkerung kollidieren würde.
    Der vom Innenminister des Zaren, Viacheslav von Plehwe, mit angestachelte Pogrom von Kischinjow im April 1903 löste eine Welle von antisemitischen Ausschreitungen in Russland aus. [222] Durch die Ereignisse aufgeschreckt, fuhr Herzl nach Sankt Petersburg, um mit Plehwe, diesem Inbegriff eines Antisemiten, persönlich zu verhandeln. Da aber auch seine Bemühungen beim Kaiser und beim Sultan zu dieser Zeit im Sande verliefen, begann er sich nach einem Gebiet umzusehen, in dem man die Juden übergangsweise ansiedeln konnte.
    Als mögliche Ausweichterritorien für eine jüdische Heimstätte schwebten ihm Gebiete in Zypern oder in der Umgebung von El Arish im Norden der Sinai-Halbinsel vor, die beide zu Britisch-Ägypten gehörten und beide nicht allzu weit von Palästina entfernt lagen. 1903 machte »Natty«, der erste Rothschild, der sich der zionistischen Bewegung angeschlossen hatte, Herzl mit dem britischen Kolonialminister Joseph Chamberlain bekannt, der Zypern ausschloss, sich aber bereit erklärte, über El Arish nachzudenken. Herzl beauftragte einen Rechtsanwalt mit dem Entwurf einer Gründungsurkunde für die jüdische Siedlung. Der Anwalt war der 45-jährige Liberale David Lloyd George, der mit seinen Entscheidungen einen stärkeren Einfluss auf das Schicksal Jerusalems nehmen sollte als irgendein anderer Mensch seit Saladin. Zu Herzls Enttäuschung wurde sein Gesuch abgelehnt. Stattdessen brachten Chamberlain und der Premierminister Arthur Balfour ein anderes Gebiet ins Gespräch – sie schlugen als künftige Heimstätte der Juden Uganda oder vielmehr einen Teil von Kenia vor. Herzl stimmte in Ermangelung anderer Möglichkeiten vorläufig zu. [159]
    Auch wenn seine Bemühungen bei Kaisern und Sultanen gescheitert waren, hatte Herzl den verfolgten Juden in Russland, darunter dem Sohn einer wohlhabenden Anwaltsfamilie in Płońsk, mit seinem Zionismus doch Hoffnung gemacht. Der elfjährige David Grün hielt Herzl für den Messias, der die Juden in ihre Heimat Israel zurückführen würde.

43
    Der Oud-Spieler von Jerusalem
    1905 – 1914
    Aus David Grün wird David Ben-Gurion
    David Grün, dessen Vater ein überzeugter Hebräist war und sich aktiv für die Zionsliebe, die Vorläuferbewegung des Zionismus, einsetzte, war von klein auf in diesem Sinne erzogen und auch in der hebräischen Sprache unterrichtet worden. Wie viele Zionisten empörte sich David darüber, dass Herzl das britische Angebot einer jüdischen Ansiedlung in Uganda angenommen hatte. Auf dem sechsten Zionistenkongress hatte sich Herzl bemüht, den Teilnehmern seinen Uganda-Plan schmackhaft zu machen, hatte damit aber nur eine Spaltung der Bewegung erreicht. Sein Konkurrent, der Schriftsteller Israel Zangwill, Autor des erfolgreichen Theaterstücks Der Schmelztiegel , in dem er die Assimilation der Einwanderer in den USA beschrieben hatte, verließ die zionistische Bewegung und gründete die Jüdische Landankaufs-Gesellschaft, die auf der Suche nach einem nichtpalästinensischen Zion Grund und Boden für die Ansiedlung von Juden an allen möglichen exotischen Orten der Welt erwarb. Der österreichische Philanthrop Baron Maurice de Hirsch finanzierte jüdische Kolonien in Argentinien, der New Yorker Bankier Jacob Schiff unterstützte den Plan, russische Juden im texanischen Galveston anzusiedeln. Mehr Unterstützung fand die Idee eines jüdischen Gebietes bei El Arish, weil das zumindest nicht weit von Palästina entfernt lag und der Zionismus nichts war ohne Zion, aber keines dieser Projekte [223] war von großem Erfolg gekrönt, und Herzl starb, von seinen rastlosen Aktivitäten aufgezehrt, bald darauf im Alter von nur 45 Jahren. Doch zu dieser Zeit hatte sich der Zionismus als Lösung für die bedrängte Situation insbesondere der russischen Juden schon fest verankert.
    David Grün, der um seinen Helden Herzl trauerte, auch wenn er dessen Uganda-Plan ablehnte, kam zu dem Schluss, dass »es zur Bekämpfung des ›Ugandismus‹ keine bessere Methode gibt, als selbst nach Israel zu ziehen und dort zu leben«. 1905 kam es in Russland zu einer Revolution, die Nikolaus II. fast den Thron kostete. Viele Revolutionäre waren wie Leo Trotzki, der bekannteste unter ihnen, Juden, die sich aber als Internationalisten definierten und völkisches und religiöses Denken ablehnten. Dennoch

Weitere Kostenlose Bücher