Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
»Geheimkode des Hesekiel« enträtselt zu haben, der ihm offenbarte, dass die Juden kurz vor der Zerstörung Jerusalems durch Nebukadnezar im Jahr 586 v.Chr. das »Tempelarchiv«, wie Juvelius die Bundeslade nannte, in einem Tunnel südlich des Tempelberges versteckt hatten. Doch er brauchte einen Mann der Tat, der ihm auch helfen konnte, die notwendigen Mittel zur Finanzierung der Suche aufzutreiben. Wer wäre besser geeignet gewesen als ein dümmlicher, aber energiegeladener englischer Aristokrat, der über die besten Verbindungen im edwardianischen London verfügte?
Juvelius zeigte seine geheimen Aufzeichnungen Parker, der ganz aufgeregt war angesichts der Offenbarungen, die er da las:
Ich glaube jetzt den empirischen Nachweis für die Richtigkeit der außerordentlich brillanten Schlussfolgerung geführt zu haben, dass der Akeldama der Eingang zum Tempelarchiv ist und dass dieses noch unberührt in seinem Versteck steht. Es müsste ein Leichtes sein, das Tempelarchiv aus seinem 2500 Jahre alten Versteck zu bergen. Die Existenz des Geheimkodes beweist, dass das Tempelarchiv unberührt ist.
Parker war von der kurz und bündig begründeten These des Sonderlings überzeugt – auch wenn sie nicht viel logischer war als die Geschichte, die im Da Vinci Code erzählt wird. In einer Zeit, in der selbst der deutsche Kaiser an Séancen teilnahm und viele an die jüdische Verschwörung glaubten, fiel es Juvelius nicht schwer, Anhänger zu finden. Wie einer seiner Bewunderer schrieb, waren »die Juden irgendwie ein heimlichtuerisches Volk« – darum hatten sie die Lade natürlich ziemlich gut versteckt.
Parker ließ Juvelius’ Dokument aus dem Finnischen übersetzen und als Hochglanzbroschüre binden. Dann erzählte er seinen Freunden, einem übel beleumundeten Haufen verschuldeter Aristokraten und Hasardeure, [227] von dieser einmaligen Gelegenheit, ein Vermögen zu verdienen: 200 Millionen Dollar musste diese Schatzgrube mindestens hergeben! Parker war ein geschickter Vertreter und hatte bald so viele Geldgeber an der Angel, dass er den Überblick zu verlieren drohte. Britische, russische und schwedische Adelige warfen ihm das Geld nur so nach, aber auch reiche Amerikanerinnen wie Consuelo Vanderbilt, Duchess of Marlborough. Parker brauchte für sich und seine Leute freien Zugang zum Tempelberg und zur Davidsstadt, den er sich mit Hilfe eines »freizügigen Bakschisch« erkaufen zu können glaubte. Im Frühjahr 1909 reiste Juvelius in Begleitung von Parker und dem schwedischen Leibwächter und Mittelsmann Hauptmann Hoffenstahl nach Jerusalem und von dort aus weiter nach Istanbul, wo es Monty gelang, mit der Aussicht auf die Hälfte des Schatzes und einer Vorauszahlung in bar vom Großwesir abwärts so ziemlich die gesamte jungtürkische Regierung zu bestechen. Unterzeichnet wurde schließlich ein Vertrag zwischen Djavid Bey, dem Finanzminister, und »dem Ehrenwerten M. Parker vom Turf Club, London«.
Die Hohe Pforte riet Parker, einen Armenier namens Macasadar als Mittelsmann zu engagieren, und schickte zur Überwachung der Grabungen zwei Regierungsbevollmächtigte nach Jerusalem. Im August 1909 holte Hauptmann Hoffenstahl den Geheimkode von Juvelius und reiste dann nach Jerusalem, um ihn Parker und seinen Freunden zu überbringen, die ihr Hauptquartier in der Augusta-Viktoria-Festung des deutschen Kaisers auf dem Ölberg aufgeschlagen hatten und im Hotel Fast (dem besten der Stadt) wohnten. Monty und seine Freunde führten sich auf wie ein Bande lärmender Schuljungen, veranstalteten »fröhliche Gelage« und Schießübungen, bei denen ihnen Orangen als Ziel dienten. »Eines Morgens hörten wir einen ungewohnten Lärm«, erinnerte sich Bertha Spafford aus der amerikanischen Kolonie, »und sahen die ehrenwerten Herren Archäologen, wie sie Eselstreiber spielten und schreiend neben den Eseln herliefen wie die Araberjungen, die im Quartier der Engländer angestellt waren.« Parker bestach einige Potentaten der Stadt, einschließlich des Gouverneurs Azmey Pascha, stellte ein Heer von Arbeitern, Übersetzern, Dienstmädchen und Leibwächtern ein und fing mit den Grabungsarbeiten auf dem Berg Ophel an, der bis heute der Dreh- und Angelpunkt der Suche nach dem alten Jerusalem ist. Hier hatte Charles Warren 1867 Grabungen durchgeführt, und später hatten die US-amerikanischen Archäologen Frederick Bliss und Archibald Dickie ein Tunnelsystem entdeckt. Zusammengenommen untermauerten die Funde die Annahme, dass es sich hier
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