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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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Ägypten, Lord Kitchener, auf dem Rückweg von Istanbul einen Besuch ab, um ihn um Truppenunterstützung für seinen Vater zu bitten.
    Sein Vater war Hussein I., Großscherif und Emir von Mekka, der wichtigste Potentat Arabiens und als Haschemit direkter Nachfahre des Propheten. Die haschemitische Sippe stellte traditionsgemäß den Emir von Mekka, doch der osmanische Sultan Abdülhamid hatte Hussein über 15 Jahre lang im goldenen Käfig in Istanbul festgehalten und andere Mitglieder der Familie in das Amt eingesetzt. 1908 schickten ihn die Jungtürken dann in Ermangelung anderer Amtsanwärter nach Mekka (wo seine Telefonnummer Mekka 1 lautete). Konfrontiert mit dem aggressiven Nationalismus der Jungtürken und den Rivalitäten zwischen Saudis und anderen arabischen Führern, wollte Hussein für einen Krieg oder einen arabischen Aufstand gegen Istanbul gerüstet sein.
    Abdullah zeigte Kitchener stolz eine Wunde, die er im Süden Arabiens im Kampf gegen einen Scheich davongetragen hatte, woraufhin Kitchener seine Narben aus dem Sudan präsentierte. »Euer Lordschaft«, wandte sich der kleine und gedrungene Araber an den hochgewachsenen Kitchener, »ist ein Ziel, das nicht verfehlt werden kann, aber ich wurde, klein, wie ich bin, von einem Beduinen getroffen.« Trotz all seiner Schmeicheleien weigerte sich Kitchener, die Truppen des Scherifen mit Waffen auszurüsten.
    Wenige Monate später änderte der Ausbruch des Ersten Weltkrieges alles. Kitchener kehrte nach England zurück, wo er zum Kriegsminister ernannt wurde – und auf einem Poster mit stählernem Blick und dem Slogan »Dein Land braucht dich« um Kriegsfreiwillige warb –, aber er blieb der britische Orientexperte. Als der osmanische Sultan den Alliierten den Heiligen Krieg erklärte, erinnerte sich Kitchener an Hussein und schlug vor, diesen für Großbritanniens Ziele einzuspannen, um einen arabischen Aufstand zu schüren. Er beauftragte die Regierungsvertretung in Kairo, sich mit dem Scherifen in Verbindung zu setzen.
    Anfangs kam keine Reaktion. Doch im August 1915 erklärte sich Scherif Hussein plötzlich bereit, sich an die Spitze eines arabischen Aufstandes zu setzen – und er erwartete dafür gewisse Gegenleistungen. Nach der verheerenden Niederlage in der Dardanellenschlacht, deren Ziel es eigentlich gewesen war, die Osmanen als Kriegspartei auszuschalten und den Stillstand an der Westfront zu beenden, und nach der Einkesselung und Gefangennahme englischer Soldaten im irakischen Kut waren die Briten der Meinung, nur ein arabischer Aufstand könne die Einnahme Ägyptens durch Djemal Pascha verhindern. Daher wies die britische Regierung ihren Hochkommissar in Ägypten, Sir Henry McMahon, an, auf jede Forderung Husseins einzugehen, um die Araber bei der Stange zu halten, dabei jedoch keine Zusage zu machen, die mit den französischen und natürlich den britischen Interessen kollidiert wäre.
    Scherif Hussein, mittlerweile über 60 Jahre alt, wurde von keinem Geringeren als Lawrence von Arabien beschrieben als »bis zu einem gewissen Grade arrogant, habgierig und dumm, beklagenswert ungeeignet, einen Staat zu führen«, aber eben doch ein »netter Alter«, und in diesem Augenblick waren die Briten dringend auf seine Hilfe angewiesen. Schlau beraten von seinem Sohn Abdullah verlangte er jetzt ein haschemitisches [232] Reich, das die gesamte Arabische Halbinsel, Syrien, Palästina und den Irak umfassen sollte, eine maßlos überzogene Forderung nach einem Staatsgebiet von einer Größe, wie es dies seit den Abbasiden nicht mehr gegeben hatte. Dafür wollte er nicht nur in Arabien, sondern über ein Netzwerk nationalistischer Geheimbünde wie Al-Fatat und Al-Ahd auch in Syrien einen Aufstand anführen. In Wirklichkeit befehligte er nur ein wenige tausend Mann starkes Heer und regierte nicht einmal den gesamten Hedschas. Weite Teile Arabiens wurden von rivalisierenden Klans wie den Saudis kontrolliert, und sein Thron stand auf ziemlich wackligen Füßen. Die Geheimbünde waren schwach besetzt, sie zählten insgesamt höchstens ein paar hundert aktive Mitglieder, die durch Djemal bald noch dezimiert werden sollten.
    McMahon war sich nicht sicher, wie weit er auf diese »tragikomischen Anmaßungen« eingehen sollte, aber während er sich noch über solche Fragen den Kopf zerbrach, führte Hussein hinter seinem Rücken Verhandlungen mit den Drei Paschas, denen er seine Unterstützung gegen die Briten in Aussicht stellte, wenn sie ihm im Hedschas eine

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