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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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wurde und Jerusalem ein »Nest von Spionen« war. Seine Strategie war einfach: »Für Palästina Deportation, für Syrien Terrorisierung, für den Hedschas die Armee.« In Jerusalem ging er direkt zur Sache und ließ die »Patriarchen, Prinzen und Scheichs antreten und die Würdenträger und ihre Amtsverweser aufhängen«. Jeder, den seine Geheimpolizei nationalistischer Umtriebe verdächtigte, wurde deportiert. Er beschlagnahmte christliche Stätten wie die St.-Anna-Kirche und fing an, die christlichen Hierarchen zu vertreiben, während er seinen Angriff auf Ägypten vorbereitete.
    Vor dem Marsch an die Front paradierte die 20 000 Mann starke Truppe durch Jerusalem. »Wir treffen uns auf der anderen Seite des [Suez-]Kanals oder im Himmel!« prahlte er seinem Freund Ballobar gegenüber. Dieser entdeckte im gleichen Moment einen Soldaten, der seine Trinkwasserration in einem geklauten Kinderwagen vor sich herschob, nicht gerade das Bild einer furchterregenden Militärmaschinerie.
    Am 1. Februar 1915 griff Djemal, gerührt von den patriotischen Gesängen seiner Soldaten, an, wurde aber mitsamt seinen 12 000 Mann mühelos zurückgeschlagen. Er behauptete, der Angriff sei sozusagen nur ein Erkundungsscharmützel gewesen, doch beim zweiten Versuch im Sommer erlitt er eine neuerliche Niederlage. Der militärische Misserfolg, die Blockade durch den Westen und Djemals zunehmend tyrannischer Regierungsstil brachten Leid und Verzweiflung, aber auch Zügellosigkeit und Vergnügungssucht nach Jerusalem. Und es dauerte nicht mehr lange, dann fing das Morden an. [165]
    Terror und Tod: Djemal der Schlächter
    Es war noch kein Monat seit Djemals Ankunft in Jerusalem vergangen, da sah Wasif Jawhariyyeh die Leiche eines Arabers in weißem Kaftan an einem Baum vor dem Jaffator baumeln. Am 30. März 1915 ließ der Pascha zwei als »britische Spione« bezichtigte arabische Soldaten am Damaskustor hinrichten, kurze Zeit später wurden der Mufti von Gaza und sein Sohn vor den Augen einer ehrfürchtig schweigenden Menge am Jaffator gehenkt. Die Hinrichtungen am Damaskus- und am Jaffator wurden nach den Freitagsgebeten durchgeführt, weil dann die meisten Zuschauer zu erwarten waren. Bald war der Anblick baumelnder Leichen, die man auf Djemals Befehl hin tagelang hängen ließ, vor den beiden Toren schon fast eine Selbstverständlichkeit. Einmal zeigte sich Wasif entsetzt über die stümperhafte Durchführung der Hinrichtung:
Die Prozedur war weder wissenschaftlich noch medizinisch erforscht, so dass der Unglückliche am Leben blieb und vor unseren Augen furchtbar leiden musste, ohne dass wir etwas hätten sagen oder tun können. Ein Offizier befahl einem Soldaten, hochzuklettern und sich an das Opfer zu hängen, aber das zusätzliche Gewicht bewirkte nur, dass dem Mann die Augen aus den Höhlen traten. So grausam waren die Methoden von Djemal Pascha. Mein Herz schreit auf bei der Erinnerung an diesen Anblick.
    Nachdem im August 1915 Beweise für die Umsturzpläne der arabischen Nationalisten erbracht worden waren, beschloss Djemal, »mit aller Härte gegen die Verräter« vorzugehen. Er ließ 15 bekannte arabische Persönlichkeiten (darunter einen Nashashibi aus Jerusalem) hängen, einige Zeit später, im Mai 1916, folgten 21 Hinrichtungen in Damaskus und in Beirut, was Djemal den Spitznamen »der Schlächter« einbrachte. Dem Spanier Ballobar gegenüber witzelte er, er könne auch ihn hängen lassen.
    Djemal hegte auch gegen die Zionisten erhebliches Misstrauen. Ben-Gurion versuchte mittlerweile, mit einem Fes ausstaffiert, jüdische Soldaten für die osmanische Armee zu rekrutieren. Und Djemal, der seine charmante Seite noch nicht ganz vergessen hatte, arrangierte zwei erstaunliche Begegnungen zwischen den Husseinis und einigen Führern der zionistischen Bewegung, darunter Ben-Gurion, um für das Projekt eines gemeinsamen Staatsgebietes unter osmanischer Herrschaft zu werben. Anschließend ließ er jedoch 500 ausländische Juden deportieren, zionistische Führer wurden verhaftet, und das Tragen ihrer Symbole in der Öffentlichkeit verboten. In der deutschen und österreichischen Presse sorgten die Deportationen für einen Sturm der Entrüstung, woraufhin Djemal die Zionistenführer zu sich rief und sie vor jeder Form von Sabotage warnte: »Ihr könnt wählen. Ich kann euch deportieren lassen, wie ich es mit den Armeniern getan habe. Wer auch nur eine Orange anrührt, wird hingerichtet. Aber wenn ihr euch für die zweite Option

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