Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
kleine Armee, aber die Erfolge hielten sich in Grenzen, und in Syrien fanden überhaupt keine Aufstände statt. Die Briten fanden es schwer zu beurteilen, ob ihnen die Haschemiten als Verbündete je nützlich sein würden. Also traf im Oktober Ronald Storrs, der spätere Militärgouverneur von Jerusalem, in Begleitung seines Beraters Lawrence in Kairo ein.
Lawrence von Arabien: Die Haschemiten – Abdullah und Faisal
Lawrence nahm die vier Söhne des Königs gründlich unter die Lupe, um zu entscheiden, wer als Führer der Araber am geeignetsten sein würde, aber ihm wurde schnell klar, dass nur der zweite und der dritte, Abdullah und Faisal, in Frage kamen. Abdullah tat er als »zu schlau« ab, und Abdullah tat Lawrence als »merkwürdige Kreatur« ab, doch kaum war sein Blick auf Prinz Faisal gefallen, geriet er ins Schwärmen: »Dies war der Mann, den zu suchen ich nach Arabien gekommen war. Faisal machte einen sehr großen, säulenhaften schlanken Eindruck in seinen langen, weißseidenen Gewändern und dem braunen Kopftuch, das von einer scharlachroten, golddurchwirkten Schnur gehalten wurde.« Er sah ihn aber auch als einen »tapferen, schwachen, unwissenden Geist«, dem er »aus Mitleid« zu Diensten sei.
Der arabische Aufstand konnte nicht einmal im Hedschas, dem haschemitischen Herrschaftsgebiet, nennenswerte Erfolge verzeichnen, und Lawrence war klar, dass eine einzige türkische Kompanie genügte, um Faisals aus wenigen tausend Kamelreitern bestehende Truppe zu besiegen. Mit Überraschungsangriffen auf kleinere Militärposten und Sabotageakten gegen die Hedschasbahn konnten die Aufständischen jedoch die osmanische Armee empfindlich schwächen und demoralisieren. Als Lawrence zu Faisals Unterstützung geschickt wurde, setzte er diese Erkenntnis in die Tat um und nahm damit die Taktik des modernen Guerillakrieges vorweg. Faisal war wiederum derjenige, der ihn so ausstaffierte, wie er in der legendären Figur des »Lawrence von Arabien« in die Geschichte eingegangen ist, indem er es sich nicht nehmen ließ, den Engländer »mit prächtigen weißseidenen und golddurchwirkten Hochzeitsgewändern auszustatten«. Wie er in seinem Buch über den arabischen Aufstand schrieb, das zur Pflichtlektüre von im Irak und in Afghanistan eingesetzten US-Offizieren geworden ist: »Wenn man arabische Kleidung trägt, muss man das Beste vom Besten tragen. Man muss sich kleiden wie ein Scherif.« Lawrence hatte keine militärische Ausbildung genossen und er war im Herzen ein Dichter und Asket, aber er wusste, dass man die Araber gründlich kennen musste, dass man durch Zuhören und unauffälliges Nachfragen alles über ihre Familien, Klans, Stämme, Freunde und Feinde in Erfahrung bringen musste, wenn man mit ihnen zurechtkommen wollte. Er lernte auf Kamelen zu reiten und das Leben eines Beduinen zu führen, aber er vergaß nie, dass es das Gold der Briten war, das seine Armee zusammenhielt – »die fettesten Jahre, die die Stämme je erlebt haben« –, und er war den Menschen in Arabien noch fünfzig Jahre später »als der Mann mit dem Gold« in Erinnerung.
Der Kriegsalltag erfüllte ihn mit einem Gemisch aus Entsetzen und Faszination. »Ich hoffe, man hört den Spaß heraus, den wir hatten«, schrieb er noch im Bann seiner Eindrücke nach einem erfolgreichen Überfall. »Es war eine überaus laienhafte, wildwestartige Vorstellung, und die Einzigen, die sich gut geschlagen haben, waren die Beduinen.« Als einer seiner Leute einen anderen ermordete, musste Lawrence den Täter eigenhändig hinrichten, um eine Blutfehde abzuwenden. Nach einem Gemetzel unter türkischen Soldaten gab er seiner Hoffnung Ausdruck, dass »der Albtraum endet, wenn ich erwache und wieder lebendig werde. Dieses Morden und Morden von Türken ist entsetzlich.«
Lawrence kannte die geheimen Pläne des Sykes-Picot-Abkommens zur Aufteilung des Nahen Ostens, und sie beschämten ihn zutiefst: »Wir fordern sie auf, für uns zu kämpfen, mit einer Lüge – ich halte das nicht aus.« Manchmal überkam ihn so tiefe Verzweiflung, dass er sein Leben aufs Spiel setzte, in der Hoffnung, »unterwegs getötet zu werden«. Er fühlte sich der britischen wie der arabischen Sache gleichermaßen stark verpflichtet, lehnte aber die imperialistischen Bestrebungen Großbritanniens ab und trat für einen unabhängigen arabischen Staat ein – allerdings unter britischem Protektorat. »Ich setzte voraus, dass ich die Feldzüge überleben und imstande sein würde, nicht
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