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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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Minderheit während des Krieges verschärft. Die europäische Oberschicht war geblendet vom märchenhaften Reichtum, der ungeahnten Macht und den prachtvollen Palästen des jüdischen Geldadels. Doch die Leute waren auch hin- und hergerissen, weil sie sich nicht entscheiden konnten, ob die Juden nun ein edles Geschlecht verfolgter biblischer Helden waren, jeder von ihnen ein König David und ein Makkabäer, oder doch eher ein verschwörerischer Zirkel mystisch-genialer, hakennasiger Hobbits mit geradezu übernatürlichen Kräften. In einem Zeitalter, in dem Theorien von der Überlegenheit bestimmter Rassen ungehemmt florierten, äußerte Balfour die Überzeugung, die Juden seien »die begabteste Rasse, die es seit der griechischen Antike 500 v.Chr. gegeben hat«, und Churchill bezeichnete sie als »respekteinflößendste und begabteste«, aber auch als »mystische und geheimnisvolle Rasse, auserwählt für die höchste Manifestation sowohl des Göttlichen als auch des Teuflischen«. Lloyd George bezichtigte Herbert Samuel hinter vorgehaltener Hand, »die schlechtesten Charaktereigenschaften seiner Rasse« in sich zu vereinen. Alle drei waren sie jedoch echte Philosemiten. Weizmann war der Meinung, dass es nur ein schmaler Grat sei zwischen judenfeindlichen Verschwörungstheorien und christlicher Judenfreundlichkeit: »Antisemiten sind uns ebenso verhasst wie Philosemiten. Beides ist diskriminierend.«
    In der Politik ist das Timing alles. Im Dezember 1916 trat Asquith zurück, Lloyd George übernahm den Posten des Premierministers und übertrug Balfour das Amt des Außenministers. Lloyd George wurde als »größter Kriegsführer seit Chatham« gepriesen, und er und Balfour waren entschlossen, alles zu tun, um den Krieg zu gewinnen. In diesem entscheidenden Moment im langen und verlustreichen Krieg gegen Deutschland sahen sich Lloyd George und Balfour durch ein Zusammenspiel ihrer eigentümlichen Einstellung gegenüber den Juden und der besonderen Verkettung der Umstände im Jahr 1917 in der Überzeugung bestärkt, dass der Zionismus einen wesentlichen Beitrag zum Sieg der Briten leisten könne.
    »Dr. Weizmann, es ist ein Junge«: die Deklaration
    Im Frühjahr 1917 traten die Vereinigten Staaten in den Krieg ein, und der russische Kaiser Nikolaus II. wurde von der Revolution vom Thron gefegt. »Die Regierung Seiner Majestät war natürlich vor allem an der Frage interessiert, wie Russland in den Reihen der Verbündeten zu halten sei«, erklärte ein hoher Regierungsbeamter und fuhr, auf Amerika bezogen, fort: »Es wurde angenommen, dass es die amerikanische Meinung positiv beeinflussen würde, wenn die Rückkehr der Juden nach Palästina zu einem erklärten Ziel der britischen Politik werden würde.« Balfour, im Begriff, eine USA-Reise anzutreten, teilte seinen Kabinettskollegen mit, dass »die überwiegende Mehrheit der Juden in Russland und Amerika den Zionismus inzwischen offenbar befürworte«. Wenn Großbritannien eine prozionistische Erklärung abgeben würde, »wären wir in der Lage, dies für eine effektive Propaganda in Russland wie in Amerika zu nutzen«.
    Und als wären Russland und Amerika noch kein ausreichend überzeugendes Argument, erfuhren die Briten auch noch, dass Deutschland eine eigene zionistische Erklärung in Erwägung zog: Immerhin war Zionismus eine in Deutschland und Österreich geborene Idee, und die Hochburg der Zionisten war bis 1914 Berlin gewesen. Als Djemal Pascha, der tyrannische Herrscher über Jerusalem, im August 1917 nach Berlin reiste, kam es zu einer Begegnung mit den deutschen Zionisten, und Mehmet Talaat, Innenminister und Großwesir des Osmanischen Reiches, willigte widerstrebend ein, sich für eine »nationale jüdische Heimstätte« einzusetzen. An der Grenze Palästinas traf General Allenby unterdessen heimliche Vorbereitungen für seine Offensive.
    Das, nicht Weizmanns Charme und Überzeugungskunst, waren die eigentlichen Gründe für die zionistenfreundliche Haltung der Briten, und Zeit war jetzt ein entscheidender Faktor. »Ich bin Zionist«, erklärte Balfour, und möglicherweise war der Zionismus das Einzige, was ihm in seiner politischen Laufbahn wirklich am Herzen lag. Lloyd George und der mittlerweile zum Munitionsminister ernannte Churchill wurden ebenfalls Zionisten, und Mark Sykes, der jetzt dem Kabinett angehörte, äußerte plötzlich die Überzeugung, dass Großbritannien auf die »Freundschaft der Juden der Welt« angewiesen sei, weil »wir das Ding

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