Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
der Sowjetunion im Jahr 1991 von der jüdischen Gemeinde Russlands abgeschnitten bleiben sollte.
Eigentlich hätte die Deklaration nicht nach Balfour, sondern nach Lloyd George benannt werden müssen. Er war es, der entschieden hatte, dass Palästina Großbritannien gehören müsse – »wir müssen es uns greifen«, hatte er gesagt – und das war die Voraussetzung dafür, dass dort eine jüdische Heimstätte entstehen konnte. Er hatte nicht die Absicht, es mit Frankreich oder sonst irgendjemandem zu teilen, Jerusalem war sein Hauptgewinn. Als Allenby in Palästina einmarschierte, verlangte Lloyd George mit flammenden Worten die Eroberung Jerusalems als »Weihnachtsgeschenk für die britische Nation«. [169]
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Das Weihnachtsgeschenk
1917 – 1919
Der Kapitulationsversuch des Bürgermeisters
Allenby nahm Gaza am 7. November ein; Jaffa fiel am 16. In Jerusalem spielten sich dramatische Szenen ab. Djemal der Schlächter, der seine Provinzen von Damaskus aus regierte, drohte Jerusalem mit einer »Götterdämmerung«. Zuerst ordnete er die Deportation aller christlichen Priester an. Christliche Gebäude einschließlich des Erlöserklosters wurden in die Luft gejagt. Die Patriarchen wurden nach Damaskus gebracht, nur der lateinische Patriarch konnte sich mit Hilfe des katholischen Majors von Papen nach Nazareth retten. Djemal ließ in Damaskus zwei spanische Spione hängen und kündigte anschließend die Deportation aller Juden aus Jerusalem an: Es würden keine Juden mehr am Leben sein, um die Briten willkommen zu heißen. »Wir leben in einer Zeit antisemitischer Raserei«, notierte Conde Ballobar in seinem Tagebuch, bevor er zu Feldmarschall von Falkenhayn eilte, um seinem Protest Ausdruck zu geben. Die Deutschen, die jetzt die Stadt verwalteten, waren bestürzt. General Kress bezeichnete Djemals Drohungen gegen die Juden als »Wahnsinn« und verwendete sich an höchster Stelle zu ihren Gunsten. Es war Djemals letzter Versuch, Jerusalem zu tyrannisieren. [237]
Am 25. November nahm Allenby das Städtchen Nabi Samuel vor den Toren der Heiligen Stadt ein. Die Deutschen wussten nicht, was sie tun sollten. »Ich bat Falkenhayn, Jerusalem freiwillig zu räumen, bevor es zu einem Angriff und zur Zerstörung komme«, erinnerte sich von Papen. »Die Stadt habe keinerlei strategische Bedeutung für uns.« Er stellte sich die Schlagzeilen vor: »HUNNEN LEGEN HEILIGE STADT IN TRÜMMER«. Falkenhayn wies das Ansinnen empört von sich: »Ich habe Verdun verloren, habe soeben eine neue Schlacht verloren und soll nun eine Stadt räumen, auf die die ganze Welt mit höchstem Interesse schaut. Unmöglich!« Papen telegrafierte an den deutschen Botschafter in Konstantinopel, der versprach, mit Enver zu reden.
Britische Flieger bombardierten das deutsche Hauptquartier im Auguste-Viktoria-Hospiz, und Allenbys Chef des Geheimdienstes ließ Opiumzigaretten für die osmanischen Truppen abwerfen in der Hoffnung, dass die Soldaten zu berauscht sein würden, um Jerusalem zu verteidigen. Flüchtlinge strömten durch die Tore der Stadt. Auch Falkenhayn verließ schließlich, nachdem er das Porträt des Kaisers in der Himmelfahrtskirche abgehängt hatte, Jerusalem und verlegte sein Hauptquartier nach Nablus. Britische und deutsche Flieger lieferten sich einen kurzen Luftkampf über Jerusalem. Gegnerische Stellungen wurden mit Haubitzen beschossen; die Türken unternahmen drei Gegenangriffe auf Nabi Samuel; vier Tage lang tobten heftige Kämpfe. »Der Krieg war voll entbrannt«, schrieb der Lehrer Sakakini, »überall um uns herum schlugen Bomben ein, in der Stadt war die Hölle los, Soldaten rannten herum, alles war von Angst beherrscht.« [238] Am 4. Dezember bombardierten die Briten das osmanische Hauptquartier auf dem russischen Gelände. Im Hotel Fast kippten die deutschen Offiziere lachend ihren letzten Schnaps, während die osmanischen Generäle überlegten, ob sie kapitulieren sollten oder nicht. Die Husseinis hielten geheime Zusammenkünfte in ihren Villen ab. Die ersten türkischen Soldaten desertierten. Mit Verwundeten und zerfetzten Leichen beladene Karren rumpelten durch die Straßen.
Am Abend des 7. Dezember erreichten die ersten britischen Soldaten Jerusalem. Dichte Nebelschwaden hatten sich über die Stadt gelegt, Regen verdunkelte die Hügel. Am nächsten Morgen nahm der Gouverneur Izzat Bey einen Hammer und zertrümmerte seinen Telegrafenapparat, dann überreichte er dem Bürgermeister sein Kapitulationsschreiben, »lieh«
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