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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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Herbert Samuels liest.« Umso erstaunter stellte er fest: »Seltsam genug, der einzige andere Verteidiger dieses Vorschlags ist Lloyd George. Selbstverständlich schert er sich den Teufel um die Juden, ihre Vergangenheit oder ihre Zukunft, aber er glaubt, daß es ein Verbrechen wäre, die ›heiligen Plätze‹ in den Besitz oder unter das Protektorat des ›gottlosen und ungläubigen‹ Frankreich übergehen zu lassen.« Mit seiner Einschätzung, dass Lloyd George Jerusalem für die Briten haben wollte, hatte Asquith recht, aber in Bezug auf dessen Einstellung zu den Juden irrte er sich.
    Lloyd George, Sohn eines walisischen Lehrers und unverbesserlicher Frauenheld, der mit seinen blauen Augen und seiner verwegenen weißen Haarmähne eher wie ein Künstler als wie ein Politiker aussah, hegte starke Sympathien für die Juden und hatte zehn Jahre zuvor als Anwalt eine Reihe von Zionisten vertreten. »Ich habe in der Schule mehr über die Geschichte der Juden gelernt als über mein eigenes Land«, erklärte der begnadete Redner und geborene Schauspieler, der seine politische Laufbahn als radikaler Reformer und antiimperialistischer Pazifist begonnen und sich als Schatzmeister mit den Lords im Oberhaus angelegt hatte. Nach Beginn des Ersten Weltkrieges mutierte er schnell vom Pazifisten zum Kriegsminister und Imperialisten mit einem von der griechischen Klassik und der Bibel beeinflussten Hang zum Romantischen.
    Als Lloyd George Weizmann ein zweites Mal mit Balfour bekannt machen wollte, erhielt er eine Postkarte, auf die dieser gekritzelt hatte: »Weizmann braucht keine Einführung. Ich erinnere mich an unsere Unterhaltung im Jahre 1906.« Als Weizmann ihn dann in London aufsuchte, wurde er mit den Worten begrüßt: »Sie haben sich nicht verändert, seit wir uns zuletzt sahen!« Und dann fügte Balfour fast träumerisch hinzu: »Wissen Sie, ich glaube, wenn die Schießerei erst aufgehört hat, dann bekommen Sie vielleicht Ihr Jerusalem. Sie kämpfen für eine große Sache. Sie müssen oft wiederkommen.« Die beiden Männer trafen sich von da an regelmäßig, wanderten abendelang durch die Flure des Verteidigungsministeriums und unterhielten sich darüber, welch eine Laune des Schicksals es sei, dass eine jüdische Heimstätte nicht nur der historischen Gerechtigkeit, sondern auch den britischen Machtinteressen dienen würde.
    Wissenschaft und Zionismus griffen noch stärker ineinander, als Balfour Erster Lord der Admiralität und Lloyd George Munitions- und Kriegsminister wurden, weil dies die beiden Ministerien waren, die sich für Weizmanns Arbeit mit explosiven Stoffen am meisten interessierten. Weizmann sah sich verstrickt in eine »Fülle von persönlichen Beziehungen« zu den Mächtigen des größten Weltreichs der Erde, was ihn veranlasste, sich über seine bescheidene Herkunft Gedanken zu machen: »Ich, Chaim Weizmann, der mit nichts angefangen hat, der Jid aus Motele und nur ›fast‹-Professor an einer Provinzuniversität!« Für die Mächtigen ihrerseits war er ein Jude, wie er in ihren Augen sein sollte. »Wie ein Prophet aus dem Alten Testament«, bemerkte Churchill später, allerdings einer, der Gehrock und Zylinder trug. In seinen Erinnerungen stellte Lloyd George die kühne Behauptung auf, seine Dankbarkeit für Weizmanns Kriegsleistungen habe ihn bewegt, die Forderungen der Juden zu unterstützen, in Wirklichkeit gab es dafür aber schon viel früher eine Reihe von Befürwortern im Kabinett.
    Wieder einmal nahm die Bibel, das Buch Jerusalems, mehr als zweitausend Jahre, nachdem sie geschrieben worden war, Einfluss auf das Schicksal der Stadt. Weizmann empfand England als eine bibeltreue Nation. »Diese britischen Staatsmänner der alten Schule«, schrieb er, »waren, wie ich schon sagte, von echter Religiosität beseelt. Für sie war der Gedanke, dass das jüdische Volk dereinst in seine Heimat zurückkehren sollte, etwas Gegebenes. Es entsprach ihrer Tradition und ihrem Glauben.« Abgesehen von Amerika war, wie einer von Lloyd Georges Referenten schrieb, »das bibellesende und biblisch denkende England das einzige Land, in dem der Wunsch der Juden, in ihre angestammte Heimat zurückzukehren, als natürlicher Anspruch« angesehen wurde, »den man ihnen nicht verwehren durfte«.
    Und noch etwas schien in der Haltung gegenüber den Juden durch: Britische Politiker nahmen ehrlichen Anteil am Schicksal der russischen Juden, und das zaristische Regime hatte seine Repressionen gegen die jüdische

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