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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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unmöglich erfolgreich durchziehen können, wenn wir die große Gemeinschaft der Juden gegen uns haben« – wobei er mit dem Ding den militärischen Sieg meinte.
    Im Kabinett war man in der Frage geteilter Meinung, und es entbrannte ein heftiger Disput. »Was soll aus den Leuten werden, die jetzt dort leben?«, erkundigte sich Lord Curzon, der frühere Vizekönig von Indien. »Möglicherweise können uns die Juden von größerem Nutzen sein als die Araber«, entgegnete Lloyd George. Edwin Montagu, assimilierter Jude, Bankierssohn und Cousin von Herbert Samuel, warf ein, dass der Zionismus geeignet sei, antisemitische Strömungen zu verstärken. Dem pflichtete die Mehrheit der jüdischen Magnaten bei: Claude Goldsmith Montefiore, ein Großneffe von Sir Moses, führte mit Unterstützung einiger Mitglieder der Rothschild-Familie die Kampagne gegen den Zionismus an, was Weizmann zu der Bemerkung veranlasste, Nationalismus würden die Juden nur als Engländer kennen, als Juden sei »er unter ihrem religiösen Niveau«.
    Als Montagu und Montefiore den Erlass der Deklaration immer weiter verzögerten, ging Weizmann zum Gegenangriff über. Er eroberte die Salons und Landhäuser des jüdischen Geldadels und der englischen Aristokratie ebenso erfolgreich, wie er früher im Verteidigungsministerium für seine Sache geworben hatte. Er gewann die Unterstützung der 20-jährigen Dolly de Rothschild, die ihn mit den Astors und den Cecils bekannt machte. Bei einer Abendgesellschaft hörte ein Gast, wie die Marquise von Crewe Robert Cecil gegenüber erklärte: »Hier im Haus sind wir alle Weizmann-Anhänger.« Mit der Unterstützung von Lord Walter Rothschild, dem ungekrönten König der jüdischen Gemeinde in Großbritannien, gelang es Chaim Weizmann, den jüdischen Widerstand zu überwinden. Lloyd George und Balfour ihrerseits konnten sich im Kabinett durchsetzen. »Ich habe Lord Rothschild und Professor Weizmann gebeten, einen Entwurf auszuarbeiten«, notierte Balfour und übertrug Sykes die Führung der Verhandlungen.
    Nacheinander erklärten Frankreich und die USA ihr Einverständnis und machten damit den Weg frei für die Entscheidung, die Ende Oktober fiel: Am gleichen Tag, an dem Allenby Beersheba einnahm, trat Sykes aus dem Kabinettssaal und erspähte Weizmann, der nervös im Vorraum wartete. »Dr. Weizmann«, verkündete Sykes, »es ist ein Junge.«
    Am 9. November erließ Balfour seine an Lord Rothschild gerichtete Deklaration, in der es hieß: »Die Regierung Seiner Majestät betrachtet mit Wohlwollen die Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina … wobei, wohlverstanden, nichts geschehen soll, was die bürgerlichen und religiösen Rechte der bestehenden nicht-jüdischen Gemeinschaften in Palästina … in Frage stellen könnte.« Die Araber warfen Großbritannien später vor, sie zynisch hintergangen zu haben, als sie Palästina gleichzeitig den Haschemiten, den Zionisten und den Franzosen versprochen hatten – ein Verrat, der zu einem Teil des Mythos der arabischen Revolte geworden ist. Sicher war es ein zynisches Taktieren, aber die Versprechungen sowohl an die Araber als auch an die Juden waren das Ergebnis überstürzter, wenig bedachter und drängender politischer Entscheidungen in Kriegszeiten, und sie wären unter keinen anderen Umständen gemacht worden. Sykes beharrte munter darauf, dass man sich »dem Zionismus, der Befreiung der Armenier und der arabischen Unabhängigkeit verpflichtet« fühle, aber das stimmte nicht so ganz: Syrien war ausdrücklich sowohl den Arabern als auch den Franzosen versprochen worden. Palästina und Jerusalem hatten weder in dem Schreiben an Scherif Hussein Erwähnung gefunden, noch war die Stadt den Juden versprochen worden. Im Sykes-Picot-Abkommen war von einer internationalen Stadt die Rede, und die Zionisten waren damit einverstanden: »Wir wollten, dass die heiligen Stätten internationalisiert werden«, schrieb Weizmann. [236]
    Ziel der Deklaration war es auch, dem Bolschewismus russische Juden abzuwerben, doch in der Nacht vor ihrer Veröffentlichung übernahm Lenin die Regierungsgeschäfte in Sankt Petersburg. Wäre Lenin ein paar Tage schneller gewesen, hätte es die Balfour-Deklaration vielleicht nie gegeben. Es war eine Ironie des Schicksals, dass der Zionismus, der von der unermüdlichen Energie russischer Juden von Weizmann bis Ben-Gurion sowie der christlichen Teilnahme an deren Schicksal vorangetrieben worden war, nun bis zum Ende

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