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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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sich in der amerikanischen Kolonie eine Kutsche mit zwei Pferden aus, [239] die er zurückzubringen versprach, und preschte davon Richtung Jericho. Die ganze Nacht über bewegten sich Tausende von osmanischen Soldaten schleppenden Schritts aus der Stadt heraus. Um drei Uhr nachmittags des 9. Dezember, einem, wie Conde Ballobar anmerkte, »Tag von außerordentlicher Schönheit«, zogen sich die deutschen Truppen aus der Stadt zurück. Die letzten Türken passierten das Löwentor gegen sieben Uhr abends. Zufällig war es der erste Tag des jüdischen Chanukka-Festes, des Lichterfestes, das an die Befreiung Jerusalems durch die Makkabäer erinnert. In der Jaffastraße wurden die Geschäfte geplündert. Um 8 Uhr 54 näherten sich britische Soldaten dem Ziontor.
    Hussein Husseini, der Bürgermeister der Stadt und sinnenfreudige Arbeitgeber von Wasif, dem Oud-Spieler, eilte zur amerikanischen Kolonie, um die freudige Nachricht zu überbringen. Die Kolonisten sangen ein »Halleluja« und der Bürgermeister suchte nach einer weißen Fahne – obwohl damit in seinen Kreisen normalerweise das Haus einer heiratsfähigen Jungfrau gekennzeichnet wurde. Eine Frau bot ihm eine weiße Bluse an, aber das schien ihm irgendwie unpassend. Schließlich lieh er sich in der amerikanischen Kolonie ein Betttuch aus, das er an einen Besen band, dann sammelte er eine Abordnung um sich, zu der einige Husseinis gehörten, stieg auf sein Pferd und ritt, seine alberne Fahne schwenkend, zum Jaffator hinaus, um sich zu ergeben.
    Die Kapitulation Jerusalems erwies sich als ausgesprochen schwieriges Unterfangen. Als Erstes stieß der Bürgermeister mit seinem flatternden Betttuch auf zwei Londoner Truppenköche, die im nordwestlich von Jerusalem gelegenen Dorf Lifta in einem Hühnerstall nach Eiern suchten. Er wollte ihnen Jerusalem übergeben. Aber die beiden lehnten das Angebot ab; das Betttuch und der Besen sahen ihnen ganz nach einer levantinischen Finte aus, und ihr Major wartete auf seine Eier; also eilten sie zurück zu ihrer Truppe.
    Auf dem Weg begegnete dem Bürgermeister der jugendliche Sohn einer angesehenen jüdischen Familie, Menache Elyashar. »Hier erlebst du einen historischen Moment, den du nie vergessen wirst«, sagte er zu dem Jungen. So schloss sich auch Elyashar dem Zug an, in dem jetzt Muslime, Christen und Juden versammelt waren. Plötzlich riefen zwei Feldwebel eines anderen Londoner Regiments: »Halt!«, und traten mit ihren Gewehren im Anschlag hinter einer Mauer hervor. Der Bürgermeister wedelte mit seinem Betttuch. Die Feldwebel James Sedgewick und Fred Hurcombe weigerten sich ebenfalls, die Kapitulation entgegenzunehmen. »He, spricht vielleicht einer von euch Kerlen Englisch?«, riefen sie stattdessen. Der Bürgermeister sprach fließend Englisch, zog es aber vor, sich seine Sprachkenntnisse für einen ranghöheren Engländer zu sparen. Die beiden willigten immerhin ein, sich von einem schwedischen Fotografen aus der amerikanischen Kolonie zusammen mit dem Bürgermeister und seinem munteren Haufen ablichten zu lassen, und sagten auch nicht nein zu den Zigaretten, die ihnen angeboten wurden.
    Als Nächstes trafen die Jerusalemer auf zwei Artillerieoffiziere, die zwar die Ehre zurückwiesen, aber sich immerhin erboten, das Hauptquartier zu verständigen. Dann lief ihnen Oberstleutnant Bayley über den Weg, der das Kapitulationsangebot an General C. F. Watson, den Kommandanten der 180sten Brigade, weiterreichte. Dieser rief Generalmajor John Shea, Kommandant der 160sten Division, zu Hilfe, der auf seinem Pferd angaloppiert kam. »Sie sind gekommen!«, schrien der Bürgermeister und seine Leute, die erwartungsvoll auf der Treppe vor dem Davidsturm standen. [240] Bertha Spafford, die amerikanische Kolonistin, küsste den Steigbügel des Generals. Shea nahm die Kapitulation in Allenbys Namen an, der die Nachricht in seinem Zelt bei Jaffa hörte, während er sich gerade mit Lawrence von Arabien unterhielt. Aber eine Kapitulation stand dem Bürgermeister noch bevor. [170]
    Allenby der Bulle: das denkwürdigste Ereignis
    Geschützdonner hing noch der Luft, als General Edmund Allenby auf das Jaffator zuritt. In seiner Satteltasche befand sich ein Buch mit dem Titel Historical Geography of the Holy Land von George Adam Smith, ein Geschenk von Lloyd George. In London machte der Premierminister keinen Hehl aus seiner Begeisterung. »Die Eroberung Jerusalems hat in der gesamten zivilisierten Welt einen tiefen Eindruck hinterlassen«,

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