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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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Stil«, der seine Motive aus assyrischer, hethitischer und islamischer Kunst und Kultur bezog, und für seine »hochgewachsenen sudanesischen Kellner in weißen Hosen und rotem Fes«. Angeblich glaubte ein amerikanischer Tourist, das Hotel sei der wiederaufgebaute Tempel Salomos. Ragheb Nashashibi ging hier täglich zum Friseur. Das luxuriöse Hotel zog die reichen Araber und die dekadenten königlichen Familien aus Ägypten und dem Libanon an, die hier oft zu Gast waren. Auch der transjordanische Emir Abdullah stieg gern im King David ab, weil man hier keine Probleme hatte, seine Kamele und Pferde unterzubringen. Im Oktober 1934 wohnten Churchill, seine Frau und Lord Moyne, der später von Mitgliedern der radikal-zionistischen Untergrundgruppe Lechi ermordet werden sollte, in dem Hotel. Der Mufti wollte sich nicht lumpen lassen und ließ an der Stelle des alten Mamilla-Friedhofs von jüdischen Baufirmen sein eigenes Luxushotel, das Palace, errichten.
    Als eine amerikanische Jüdin, eine ehemalige Krankenschwester, den ersten Schönheitssalon der Stadt eröffnete, drückten sich ländliche Besucher am Schaufenster die Nase platt und erwarteten, dass die Puppen darin gleich zu sprechen anfangen würden. Der beste Buchladen wurde in der Nähe des Jaffatores von Boulos Said, dem Vater des bekannten Intellektuellen Edward Said, und seinem Bruder betrieben, das eleganteste Modekaufhaus gehörte Kurt May und seiner Frau, deutschen Juden, die vor dem nationalsozialistischen Terror geflohen waren. Als Kurt May das Kaufhaus einrichtete – über dem Eingang prangte der Name May, »Mai«, in hebräischer, englischer und arabischer Sprache –, ließ er das gesamte Inventar aus Deutschland importieren. Zur Stammkundschaft im Kaufhaus May gehörten die Ehefrauen reicher jüdischer Geschäftsleute und britischer Prokonsuln – und König Abdullah von Transjordanien. Einmal nahm Kaiser Haile Selassie mit seiner Entourage das gesamte Kaufhaus in Beschlag. Die Mays hatten in Deutschland zum Bildungsbürgertum gehört und waren weder Zionisten noch praktizierende Gläubige. Sie wohnten über den Verkaufsräumen ihres Geschäfts. Als ihre Tochter Miriam geboren wurde, ließen sie sie von einer arabischen Amme stillen, doch als das Mädchen älter wurde, durfte es nicht mit den Kindern der polnischen Nachbarn spielen, weil diese »zu ungebildet« waren. Jerusalem war immer noch eine kleine Stadt. An Frühlingstagen gingen Kurt May und seine Tochter manchmal in den blühenden judäischen Bergen vor den Toren der Stadt spazieren und pflückten Alpenveilchen. Die Freitagabende waren für das Ehepaar der Höhepunkt ihres gesellschaftlichen Lebens: Während die ultraorthodoxen Juden beteten, gingen die beiden zum Tanzen ins King David Hotel.
    Die Briten verhielten sich so, als sei Palästina eine Provinz ihres Kolonialreiches: Brigadier Angus McNeil gründete den Jagdclub Ramle Vale Jackal Hounds Club, dessen Mitglieder mit einer Hundemeute Jagd auf Füchse und Schakale machten; im Offiziersclub kreisten, wie ein zionistischer Besucher feststellte, alle Gespräche um die Entenjagd oder allenfalls noch um das letzte Polospiel oder um Pferderennen. Ein junger Offizier kam in seinem eigenen Privatflugzeug in die Stadt gerauscht.
    Die hierarchische Ordnung der Jerusalemer Gesellschaft kam den Briten, die ein komplexes aristokratisches System aus England gewohnt waren, entgegen. Besonders gut gefiel ihnen die Etikette, die bei den Abendgesellschaften im Government House befolgt wurde. Harry Luke, John Chancellors Stellvertreter, erzählte, wie die Hochkommissare, Oberrabbis, Obersten Richter, Bürgermeister und Patriarchen bei ihrer Ankunft vom Toastmaster begrüßt wurden: »Euer Exzellenz, Euer Ehren, Euer Gnaden, Euer Eminenz, Euer Paternität, Euer Hochwürden, sehr verehrte Damen und Herren.«
    Dieses blühende neue Jerusalem, das 1931 rund 132 000 Einwohner hatte, war der sichtbare Beweis dafür, dass die britische Mandatsherrschaft und die zionistischen Einwanderungen zum wirtschaftlichen Aufschwung beitrugen – und auch die Zahl der arabischen Einwanderer in die Höhe trieben: Es gab in Palästina mehr arabische als jüdische Einwanderer, und die arabische Bevölkerung nahm um 10 Prozent, doppelt so schnell wie die jüdische, zu. [255] Innerhalb eines Jahrzehnts siedelten sich in Jerusalem 21 000 arabische und 20 000 jüdische Neubürger an – es waren goldene Zeiten für die Notabelnfamilien. Die Briten fühlten sich den arabischen

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