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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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salutierte. »Dieser Salut wurde erwidert.« Vom Flughafen Kalandia flog der Hochkommissar nach Haifa und fuhr von dort mit dem Schiff nach England.
    Britische Truppen räumten ihre Festung Bevingrad im russischen Bezirk: 250 Lastwagen und Panzer rollten auf der King George V. Avenue stadtauswärts, vorbei an einer schweigenden jüdischen Menschenmenge. Sofort begann der Wettlauf um die Kontrolle über den russischen Bezirk. Die Irgun stürmte die Nikolai-Pilgerherberge. Schüsse hallten durch die Stadt. Nusseibeh eilte nach Amman und bat König Abdullah inständig, die Stadt zu retten, die »während der Kreuzzüge geplündert« wurde und nun wieder kurz vor der Plünderung stand. Der König versprach es.
    Am 14. Mai 1948 um 16 Uhr hörten Rabin und seine Palmachsoldaten, erschöpft von ihrem Kampf, die Straße am Stadtrand Jerusalems offen zu halten, im Rundfunk die Übertragung einer Erklärung Ben-Gurions, des Vorsitzenden der Jewish Agency. Ben-Gurion stand im Museum in Tel Aviv unter einem Porträt Herzls vor 250 Vertretern des jüdischen Volkes und verlas die Unabhängigkeitserklärung des jüdischen Staates. Er und seine Mitarbeiter hatten lange diskutiert, wie der Staat heißen sollte. Einige hatten Judäa oder Zion vorgeschlagen, aber diese Namen waren mit Jerusalem assoziiert, und die Zionisten hatten zu kämpfen, auch nur einen Teil der Stadt zu halten. Andere hatten Ivriya oder Herzliya vorgeschlagen, aber Ben-Gurion war für Israel eingetreten, und darauf hatten sie sich schließlich geeinigt. »Im Lande Israel trat das jüdische Volk ins Leben«, verlas er. Zum Abschluss sangen alle die Nationalhymne, »Hatikvah«:
Solange ist unsere Hoffnung nicht verloren,
Die Hoffnung, zweitausend Jahre alt,
Zu sein ein freies Volk in unserem Land,
Im Lande Zion und in Jerusalem!
    Ben-Gurion strahlte die Journalisten an: »Wir haben es geschafft!«, sagte er, verzichtete aber auf Jubel. Mehrfach hatte er sich bereiterklärt, eine Zweistaatenlösung zu akzeptieren, aber nun mussten die Juden eine Invasion regulärer arabischer Streitkräfte abwehren, deren erklärtes Ziel die Vernichtung des jüdischen Staates war. Die Existenz des Staates Israel war in Gefahr. Andererseits hatten sich seine Ansichten weiterentwickelt, denn während er in den 1920er und frühen 1930er Jahren auf ein gemeinsames sozialistisches Palästina oder einen Föderalstaat gehofft hatte, war nun angesichts eines totalen Krieges wieder alles offen.
    An der Harel-Brücke der Jerusalemfront waren Rabins Soldaten zu müde, sich Ben-Gurion im Radio anzuhören. »He, Leute, macht das aus«, bat einer von ihnen. »Ich muss dringend schlafen. Schöne Worte erst morgen.«
    »Jemand stand auf und drehte das Radio aus. Es trat bleierne Stille ein«, erinnerte sich Rabin. »Ich schwieg und unterdrückte meine gemischten Gefühle.« Die meisten hörten die Unabhängigkeitserklärung ohnehin nicht, weil arabische Truppen den Strom abgestellt hatten.
    Elf Minuten später verkündete Präsident Truman, dass die USA Israel de facto anerkannten. Ermuntert von seinem Freund Eddi Jacobson hatte Truman Weizmann im Vertrauen versichert, dass er eine Teilung unterstützen werde. Allerdings wäre ihm sein Regierungsapparat beinahe entglitten, als UN-Diplomaten versuchten, die Teilung hinauszuzögern. Sein Außenminister George Marshall, der Generalstabschef im Zweiten Weltkrieg und Doyen des amerikanischen Staatsdienstes, sprach sich offen gegen die Anerkennung Israels aus. Truman stellte sich jedoch hinter den neuen Staat. Aber der Erste, der Israel offiziell anerkannte, war Stalin.
    In New York wartete der inzwischen nahezu völlig erblindete Weizmann in seinem Zimmer im Hotel Waldorf Astoria, freute sich über die Unabhängigkeit, fühlte sich aber ein bisschen vergessen und im Stich gelassen, bis Ben-Gurion und seine Kollegen ihn baten, der erste Präsident Israels zu werden. Truman lud Weizmann zu seinem ersten offiziellen Besuch im Weißen Haus ein. Als Eddie Jacobson den US-Präsidenten später lobte, er habe »Israel zu schaffen geholfen«, erwiderte der Präsident: »Was meinen Sie mit ›zu schaffen geholfen‹? Ich bin Kyrus! Ich bin Kyrus!« Als der Oberrabbiner von Israel ihm dankte, weinte Truman.
    Präsident Weizmann fuhr nach Israel. Er war besorgt, dass die jüdischen Heiligtümer in Jerusalem, die im Mittelalter die Angriffe von Barbaren überdauert hatten, nun verwüstet würden. In Jerusalem bemühten sich Anwar Nusseibeh und einige irreguläre

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