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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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hatte. Aber Abd al-Kadir Husseini hatte das jüdische Westjerusalem erfolgreich von der Küste abgeschnitten.
    Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass sowohl die Araber als auch die Juden den Eindruck hatten, Jerusalem zu verlieren. Anfang 1948 befand sich das jüdische Viertel in der Altstadt im Belagerungszustand, und der hohe Anteil an nicht kämpfenden ultraorthodoxen Juden erschwerte die Verteidigung. »Was ist mit Jerusalem?«, fragte Ben-Gurion seine Generäle am 28. März in seinem Hauptquartier in Tel Aviv. »Das ist die entscheidende Schlacht. Der Fall Jerusalems könnte dem Jischuw einen tödlichen Schlag versetzen.« Die Generäle konnten nur 500 Mann abstellen. Die Juden waren seit der UN-Abstimmung in der Defensive, aber nun ordnete Ben-Gurion die Operation Nachshon an, um die Straße nach Jerusalem freizukämpfen; das war der Beginn einer größeren Offensive, Plan D, mit dem Ziel, die von den Vereinten Nationen zugewiesenen jüdischen Gebiete, aber auch Westjerusalem zu sichern. Der Historiker Benny Morris schreibt: »Der Plan sah ausdrücklich die Zerstörung arabischer Dörfer, die Widerstand leisteten, und die Vertreibung ihrer Einwohner vor«, aber »an keiner Stelle ist in dem Dokument die Rede von einer Politik oder einem Bestreben, ›die arabischen Einwohner‹ aus Palästina zu vertreiben«. An manchen Orten blieben die Palästinenser in ihren Häusern, an anderen wurden sie vertrieben.
    Das Dorf Kastel beherrschte die Straße von der Küste nach Jerusalem. Am Abend des 2. April nahm die Haganah diese Bastion ein, aber Husseini sammelte seine Milizionäre (und irakische Freischärler), um sie zurückzuerobern. Ihm und Anwar Nusseibeh war jedoch klar, dass sie Verstärkung brauchten. Die beiden eilten nach Damaskus, um Artillerie anzufordern, stießen aber bei den Generälen der Arabischen Liga auf ein Maß an Inkompetenz und Intrigen, das sie schier zur Verzweiflung brachte. »Kastel ist gefallen«, erklärte der irakische Oberbefehlshaber. »Es ist Ihre Sache, es zurückzuerobern, Abd al-Kadir.«
    »Geben Sie uns die Waffen, die ich verlangt habe, dann erobern wir es zurück«, erwiderte Husseini aufgebracht.
    »Was, Abd al-Kadir? Keine Kanone?«, sagte der General, machte ihm aber kein Angebot.
    Husseini stürmte hinaus: »Ihr Verräter! Es wird in die Geschichte eingehen, dass ihr Palästina verloren habt. Ich hole Kastel zurück, oder ich sterbe im Kampf mit meinen Mudschaheddin!« An diesem Abend schrieb er ein Gedicht für seinen siebenjährigen Sohn Faisal, der Jahrzehnte später Yasser Arafats palästinensischer »Minister« für Jerusalem werden sollte:
Dieses Land der Tapferen ist das Land unserer Ahnen.
Die Juden haben kein Recht auf dieses Land.
Wie kann ich schlafen, solange der Feind es beherrscht?
Es brennt in meinem Herzen. Mein Heimatland ruft.
    Der Kommandeur erreichte Jerusalem am nächsten Morgen und ließ seine Kämpfer antreten.
    Salutschüsse auf dem Tempelberg: Abd al-Kadir Husseini
    Am 7. April 1948 zog Abd al-Kadir mit 300 Milizionären und drei britischen Deserteuren nach Kastel hinauf. Noch am selben Abend um 23 Uhr griffen sie das Dorf an, wurden aber abgewehrt. Im Morgengrauen rückte Husseini vor, um einen verwundeten Offizier zu ersetzen, aber als er sich im Nebel dem Dorf näherte, ohne zu wissen, in wessen Hand es sich befand, rief ein Haganah-Wachposten, der die Neuankömmlinge für die jüdische Verstärkung hielt, in arabischem Slang: »Hier oben, Jungs!«
    »Hello, boys«, antwortete Husseini auf Englisch. Die Juden sprachen häufig Arabisch, aber nie Englisch. Der Haganah-Wachposten witterte Gefahr, gab eine Salve Schüsse ab und traf Husseini. Seine Kameraden flohen und ließen ihn stöhnend am Boden liegen. »Wasser, Wasser.« Obwohl ein jüdischer Sanitäter sich um ihn kümmerte, starb er. Seine goldene Uhr und die Pistole mit Elfenbeingriff deuteten auf eine Führungsrolle hin, aber wer war dieser Mann?
    Am Funkgerät belauschten die Haganah-Verteidiger die erregten arabischen Funksprüche über die Bergung der Leiche ihres gefallenen Kommandeurs. Sein Bruder Khalid übernahm das Kommando. Als die Nachricht sich herumsprach, strömten arabische Milizionäre mit Bussen, Eseln und Lastwagen herbei und eroberten das Dorf. Die Palmachsoldaten starben in ihren Stellungen. Die Araber töteten ihre fünfzig jüdischen Gefangenen und verstümmelten ihre Leichen. Sie hatten den Schlüssel zu Jerusalem – und den Leichnam Husseinis –

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