Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
eine realistische Haltung gegenüber den Zionisten ein und verwies auf das türkische Sprichwort: »Wenn du auf einer schmalen Brücke einer Bärin begegnest, nenn sie … ›liebes Tantchen!‹« Im Laufe der Jahre sprach er häufig mit Weizmann und mit jüdischen Geschäftsleuten und bot den Juden ein Heimatland an, wenn sie ihn als König von Palästina akzeptierten. Er war häufig in Jerusalem und traf seinen Verbündeten Ragheb Nashashibi, verachtete aber den Mufti und war überzeugt, dass der Zionismus dank »dieser Partisanen der Araber, die keine Lösung akzeptieren wollen«, nur umso mehr zunahm.
Insgeheim hatte der König mit den Zionisten einen Nichtangriffspakt ausgehandelt: Er würde die den Arabern zugesprochenen Teile des Westjordanlands besetzen und dafür keine Einwände gegen die von den Vereinten Nationen festgelegten Grenzen des jüdischen Staates erheben; und die Briten hatten seine geplante Annexion gebilligt. »Ich will keinen neuen arabischen Staat schaffen, der es den Arabern erlaubt, auf mir zu reiten«, erklärte er der zionistischen Gesandten Golda Myerson (später Meir). »Ich will der Reiter, nicht das Pferd sein.« Aber nun hatte das Pferd gescheut: Der Krieg, vor allem das Massaker von Deir Yassin, zwangen ihn, gegen die Juden zu kämpfen. Außerdem waren die anderen arabischen Staaten mindestens ebenso entschlossen, Abdullahs Ambitionen Grenzen zu setzen, wie die Palästinenser zu retten, und die Ägypter und Syrer hatten vor, eigene Territorien zu annektieren. Abdullahs Kommandeur Glubb Pasha, der sein Leben der Aufgabe gewidmet hatte, den Haschemiten zu einer ordentlichen Armee zu verhelfen, widerstrebte es, diese Truppe nun aufs Spiel zu setzen.
Seine Arabische Legion rückte vorsichtig durch das Bergland Judäas Richtung Jerusalem vor, wo die irreguläre Arabische Befreiungsarmee die jüdischen Stadtteile angriff. Am Abend des 16. Mai hatte die Haganah die Polizeiwache Mea Shearim, Sheikh Jarrah im Norden und die gesamte Neustadt südlich der Stadtmauern sowie die ehemaligen britischen Stützpunkte im Stadtzentrum, den russischen Bezirk und den YMCA eingenommen. »Wir haben fast ganz Jerusalem eingenommen bis auf Augusta Viktoria und die Altstadt«, behauptete Ben-Gurion überwältigt.
»Hilfe! … Sie ersteigen schon die Mauern der Altstadt!« Anwar Nusseibeh eilte zum König, um ihn zum Eingreifen zu bewegen. Abdullah vergaß nie seine Stellung in der Geschichte: »Bei Gott, ich bin ein muslimischer Herrscher, ein haschemitischer König, und mein Vater war König aller Araber.« Er schrieb an seinen englischen Kommandeur: »Mein lieber Glubb Pascha! Was Jerusalem den Arabern, sowohl den Mohammedanern wie auch den arabischen Christen bedeutet, ist allgemein bekannt. Jedes Unglück, das die Menschen dieser Stadt von seiten der Juden erleiden … würde sehr weitreichende Auswirkungen auch auf uns haben. Ich befehle daher, daß alles, was wir noch haben, erhalten werden muß – die Altstadt und die Straße nach Jericho … Ich bitte Sie, mein Lieber, diesen Befehl so schnell wie möglich auszuführen.«
Abdullah: Der Kampf um Jerusalem
Die königlichen Truppen jubelten. »Viele Fahrzeuge waren mit grünen Zweigen oder rosa blühenden Oleanderbüschen geschmückt.« Der Vormarsch der Arabischen Legion nach Jerusalem »sah mehr wie ein Karnevalsumzug aus als wie eine Truppe, die in den Krieg zieht«, stellte Glubb fest. Am 18. Mai bezogen die ersten Legionäre Stellung vor den Mauern der Altstadt, »von denen aus vor fast neunzehn Jahrhunderten die Juden ihre Wurfspeere auf die anstürmenden Legionen des Titus geschleudert hatten«, wie Glubb schrieb. Der König war jedoch »ganz abgehärmt vor Sorge, die Juden könnten in die Altstadt und den Tempelbezirk mit den großen Moscheen eindringen. Dort war nämlich sein Vater beigesetzt, der verstorbene König Hussein von Hedschas«. Glubbs Truppen stürmten durch den von den Israelis gehaltenen Stadtteil Sheikh Jarrah ans Damaskustor.
Innerhalb der Altstadt umstellten zuerst Freischärler und dann Soldaten der Arabischen Legion das jüdische Viertel, in dem einige der ältesten jüdischen Familien Palästinas lebten, darunter viele alte chassidische Gelehrte, verteidigt von nur 190 Haganah- und Irgun-Kämpfern. Rabin war wütend, als er erfuhr, dass für die Rettung der Altstadt nur spärliche Einheiten abgestellt werden konnten. Er brüllte den Kommandeur von Jerusalem, David Shaltiel, an: »[Ist das] die einzige Truppe, die das
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