Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
und Barsoma verkündete: »Das Kreuz hat triumphiert«, ein Ruf, der durch die Stadt hallte wie »das Tosen einer Welle«, als seine Anhänger ihn mit kostbaren Ölen salbten und die Mörder freigelassen wurden.
Trotz der Gewaltausbrüche kümmerte Eudokia sich weiter um Jerusalem, gab den Bau neuer Kirchen in Auftrag und kehrte mit zahlreichen Reliquien nach Konstantinopel zurück. Aber ihre Schwägerin Pulcheria spann bereits Intrigen, sie zu vernichten.
Eudokia: Kaiserin von Jerusalem
Theodosius schickte Eudokia einen phrygischen Apfel. Sie gab ihn ihrem Protegé, dem Haushofmeister Paulinus, der ihn wiederum als Geschenk dem Kaiser schickte. Gekränkt stellte Theodosius seine Frau zur Rede. Als sie log, sie habe sein Geschenk nicht weitergegeben, sondern gegessen, holte er den Apfel hervor. Diese Notlüge bestätigte ihm, dass die verstohlenen Andeutungen seiner Schwester der Wahrheit entsprachen: Eudokia hatte eine Affäre mit Paulinus. Die Geschichte ist zwar mythisch – Äpfel symbolisieren Leben und Keuschheit –, zeichnet aber in ihren äußerst menschlichen Details genau die unglückliche Verkettung von Ereignissen nach, die an den heiklen Höfen autokratischer Herrscher, denen alle möglichen Gefahren drohten, ein schlechtes Ende nehmen konnte. Paulinus wurde 440 hingerichtet, aber das Kaiserpaar einigte sich auf eine Möglichkeit, wie Eudokia sich in Würde aus der Hauptstadt zurückziehen konnte. Drei Jahre später kam sie nach Jerusalem, um aus eigenem Recht Palästina zu regieren.
Doch selbst nun versuchte Pulcheria noch, sie zu vernichten. Sie schickte den Kommandeur der kaiserlichen Leibwache, Saturnius, los, zwei Leute aus Eudokias Gefolge zu töten. Umgehend ließ Eudokia ihn ermorden. Erst als diese Palastintrigen abebbten, konnte sie tun, was sie wollte: Sie baute Paläste für sich und den Bischof von Jerusalem sowie ein Hospiz neben der Grabeskirche, das Jahrhunderte bestehen blieb. Zudem errichtete sie die ersten Stadtmauern seit Titus um den Berg Zion und die Davidsstadt – die noch heute zu sehen sind. Die Säulen der mehrgeschossigen Kirche, die sie um den Siloateich baute, stehen noch heute dort im Wasser. [95]
Doch nun flammte die Christologiedebatte wieder auf und erschütterte das Reich. Wenn Jesus und Gottvater »wesensgleich« waren, wie konnte Christus dann göttliche und menschliche Natur in sich vereinen? Der neue Patriarch von Konstantinopel, Nestorius, betonte 428 taktlos die menschliche Seite und Doppelnatur Jesu, als er vertrat, die Jungfrau Maria solle nicht als Theotokos, Gebärerin Gottes, sondern lediglich als Christokos, Gebärerin Christi gelten. Seine Gegner, die Monophysiten, bestanden darauf, dass Christus eine Natur habe, die zugleich menschlich und göttlich sei. Die Dyophysiten bekämpften die Verfechter des Monophysitismus in den Kaiserpalästen und Gassen Jerusalems und Konstantinopels mit der Gewaltbereitschaft und dem Hass christologischer Fußballhooligans. Jeder hatte eine Meinung, wie Gregor von Nyssa feststellte: »Wenn man jemanden um Wechselgeld bittet, gibt er einem ein Stück Philosophie über den Gezeugten und den Ungezeugten heraus; fragt man ihn nach dem Preis eines Brotes, antwortet er: ›Der Vater steht höher, und der Sohn niedriger‹; oder wenn man fragt, ob das Bad fertig ist, bekommt man zur Antwort, dass der Sohn aus dem Nichts geschaffen wurde.«
Als Theodosius starb, standen seine beiden Kaiserinnen sich über die christologische Kluft hinweg gegenüber. Pulcheria, die in Konstantinopel die Macht ergriffen hatte, unterstützte die Dyophysiten, Eudokia gehörte dagegen wie die meisten Ostchristen zu den Monophysiten. Wie nicht anders zu erwarten, schloss Pulcheria Eudokia aus der Kirche aus. Als Juvenal, der Bischof von Jerusalem, Pulcheria unterstützte, mobilisierten die monophysitischen Jerusalemer ihre militanten Mönchstrupps, die ihn aus der Stadt vertrieben – eine Notlage, die er ausnutzte. Lange hatten die Bischöfe der vier großen Diözesen – Rom und die östlichen Patriarchate – die Christenheit regiert. Aber die Bischöfe von Jerusalem versuchten schon lange, eine Beförderung zum Patriarchen durchzusetzen. Nun gelang Juvenal diese Beförderung als Lohn für seine Loyalität, die ihn beinahe das Leben gekostet hätte. Auf dem Konzil von Chalcedon 451 erzwang Pulcheria einen Kompromiss: Nach der Einheit zweier Naturen war Jesus »vollkommen göttlich« und »vollkommen menschlich«. Eudokia stimmte dem zu und
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