Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
jüdischem Monotheismus, da er glaubte, die Griechen verehrten den jüdischen »Allerhöchsten« als Zeus: Jahwe war nicht allein den Juden vorbehalten.
Julian beauftragte Alypius, seinen Statthalter in Britannien, mit dem Wiederaufbau des Tempels. Der Sanhedrin war nervös: War das zu schön, um wahr zu sein? Um den Rat zu beruhigen, schrieb Julian beim Aufbruch an die persische Front einen Brief »An die Gemeinde der Juden«, in dem er sein Versprechen bekräftigte. In Jerusalem suchten Juden freudig »die fähigsten Handwerker aus, sammelten Baumaterial, räumten das Gelände und machten sich so ernsthaft an die Aufgabe, dass selbst Frauen Erde schleppten und ihren Schmuck verkauften, um zu den Kosten beizutragen«. Das Baumaterial lagerten sie in den sogenannten Ställen Salomos. »Als sie die Reste des früheren Gebäudes beseitigt hatten, legten sie das Fundament frei.«
Während die Juden sich Jerusalems bemächtigten, marschierte Julian mit einem 65 000 Mann starken Heer in Persien ein. Aber am 27. Mai 363 gab es in Jerusalem ein Erdbeben, bei dem das Baumaterial irgendwie in Brand geriet.
Die Christen freuten sich über dieses »Wunder«, dem sie aber durchaus durch Brandstiftung nachgeholfen haben könnten. Alypius hätte die Arbeiten fortsetzen können, aber mittlerweile hatte Julian den Tigris überquert und befand sich im Irak. Angesichts der angespannten Lage in Jerusalem beschloss Alypius, Julians Rückkehr abzuwarten. Der Kaiser war jedoch schon auf dem Rückzug. In einem wirren Gefecht bei Samara stach ein arabischer Soldat (möglicherweise ein Christ) dem Kaiser am 26. Juni eine Lanze in die Seite und durchbohrte seine Leber. Als Julian versuchte, die Waffe herauszuziehen, zerschnitt er sich die Sehnen seiner Hand. Christliche Autoren behaupteten, er sei mit den Worten gestorben: »Vicisti, Galilaee!«, »Du hast gesiegt, Galiläer!« Nachfolger wurde sein Gardekommandeur, der das Christentum wieder einsetzte, alle Gesetze Julians aufhob und die Juden wieder aus Jerusalem verbannte: [91] Von nun an sollte es wieder eine Religion, eine Wahrheit geben. Theodosius I. machte das Christentum 391 bis 392 zur offiziellen Staatsreligion des Reiches und begann, sie durchzusetzen. [70]
Hieronymus und Paula: Heiligkeit, Sex und die Stadt
Ein melancholischer römischer Gelehrter namens Hieronymus kam 384 mit einem Gefolge wohlhabender Christinnen nach Jerusalem. Sie waren von obsessiver Frömmigkeit, wurden aber auf ihrer Reise von sexuellen Skandalen begleitet.
Der Illyrer Hieronymus war Ende der dreißiger Jahre und hatte als Eremit in der syrischen Wüste gelebt, wo ihn ständig sexuelle Gelüste gepeinigt hatten: »… in der einzigen Gesellschaft von Skorpionen und wilden Tieren, dachte ich oft zurück an die Tänze der Mädchen … im kalten Körper flammte der Geist auf in der Glut der Begierden«. Anschließend war er Sekretär Damasus’ I., des Bischofs von Rom, wo die Aristokratie das Christentum angenommen hatte. Damasus besaß so viel Selbstbewusstsein, dass er erklärte, die Bischöfe Roms seien mit göttlichem Segen die unmittelbaren Nachfolger des heiligen Petrus – ein großer Schritt in ihrer Entwicklung hin zu den unfehlbaren Päpsten späterer Zeiten. Die Kirche hatte nun so große Unterstützung durch die Patrizier, dass Damasus und Hieronymus sich in äußerst weltliche Skandale verwickelt sahen: Damasus warf man Ehebruch vor und gab ihm den Spitznamen »Ohrkitzler der Matronen«, während man Hieronymus eine Affäre mit der reichen Witwe Paula nachsagte, einer der zahlreichen Damen, die das Christentum angenommen hatten. Hieronymus und Paula wurden von diesem Vorwurf zwar entlastet, mussten aber Rom verlassen und reisten mit Paulas Tochter Eustochium nach Jerusalem.
Allein schon die Gegenwart dieser jugendlichen Jungfrau erregte Hieronymus offenbar so stark, dass er überall Sex witterte und große Teile der Reise mit dem Verfassen von Traktaten verbrachte, die vor den lauernden Gefahren warnten, wenn »die Begierde die Sinne reizt, das lockende Feuer der Lust uns mit wohliger Wärme durchströmt«. In Jerusalem fanden Hieronymus und seine frommen Millionärinnen eine neue Stadt vor, eine Mischung aus Heiligkeit, Kommerz, Beziehungen und Sex. Es herrschte innige Frömmigkeit, und eine der reichsten dieser Damen, Melania (die ein jährliches Einkommen von 120 000 Pfund Gold hatte) gründete auf dem Ölberg ein eigenes Kloster. Aber Hieronymus war entsetzt über die sexuellen
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