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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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versöhnte sich mit Pulcheria. Dieser Kompromiss hat bis heute in den orthodoxen, katholischen und protestantischen Kirchen gehalten, hatte aber auch Mängel: Die Monophysiten und Nestorianer lehnten ihn aus genau entgegengesetzten Gründen ab und spalteten sich für immer von der orthodoxen Lehre ab. [96]
    Während das weströmische Reich vom Hunnenkönig Attila terrorisiert wurde und seinem endgültigen Zusammenbruch entgegenwankte, schrieb die alternde Eudokia griechische Dichtung und baute ihre mittlerweile verschwundene Stephansbasilika unmittelbar nördlich vom Damaskustor, wo sie 460 neben den Reliquien des ersten Märtyrers beigesetzt wurde. [72]

16
    Byzantinische Dämmerung: Die Invasion der Perser
    518 – 630
    Justinian und die Showgirl-Kaiserin: das byzantinische Jerusalem
    Im Alter von 35 Jahren stieg Justinian 518 zum eigentlichen Regenten des Oströmischen Reiches auf, als sein Onkel Justin den Thron bestieg. Der neue Kaiser war ein älterer, ungebildeter thrakischer Bauer und auf seinen klugen Neffen Peter angewiesen, der sich den Namen Justinian zulegte. [97] Er kam nicht allein an die Macht: Seine Mätresse Theodora war die Tochter eines Bärentrainers bei den Grünen, einer Wagenrennmannschaft, und wuchs unter verschwitzten Wagenlenkern, anrüchigen Badehäusern und blutigen Bärenkäfigen des Hippodroms in Konstantinopel auf. Bereits als ganz junges Mädchen arbeitete sie als Schauspielerin und Tänzerin und soll angeblich eine gymnastisch begnadete Orgiastin gewesen sein, deren Spezialität darin bestand, ihren Kunden alle drei Körperöffnungen gleichzeitig darzubieten. Ihr nymphomanisches Kabinettstückchen war, sich mit gespreizten Beinen auf der Bühne zu räkeln, während Gänse Gerste aus dem »Kelch dieser Blüte der Leidenschaft« pickten. Doch die sexuellen Details wurden in den Geschichten über sie sicher übertrieben. Wie die Wahrheit auch immer ausgesehen haben mag, fand Justinian ihre Lebenskraft jedenfalls unwiderstehlich und änderte das Gesetz, um sie heiraten zu können. Theodoras Intrigen machten ihm zwar das Leben schwer, aber häufig zeigte sie die Willensstärke, die ihm fehlte. Als er während des Nika-Aufstands Konstantinopel beinahe schon verloren hatte und bereit war, zu flüchten, erklärte sie, lieber würde sie im Kaiserpurpur sterben, als ohne ihn zu leben, und schickte seine Generäle, die Rebellen zu massakrieren.
    Dank der realistischen Porträts des Paares in der Kirche San Vitale in Ravenna wissen wir, dass Justinian ein schmales Gesicht und einen wenig einnehmenden rötlichen Teint hatte, während die zierliche, blasse und eisige Theodora uns mit strahlenden Augen, geschürzten Lippen und Perlenketten auf Kopf und Brust einen vernichtenden Blick zuwirft. Sie waren ein höchst politisches Duo. Ungeachtet ihrer Herkunft nahmen beide das Reich und die Religion erbarmungslos ernst.
    Justinian, der letzte Latein sprechende Kaiser des Ostens, war von seiner Mission überzeugt, das Römische Reich wiederherzustellen und die Christenheit wiederzuvereinen: Kurz vor seiner Geburt hatte ein Germanenführer den letzten Kaiser aus Rom vertrieben. Das stärkte ironischerweise das Ansehen der Bischöfe von Rom, die man bald Päpste nennen sollte, und verschärfte die Differenzen zwischen Ost und West. Erstaunlich erfolgreich gelang es Justinian, sein christliches Weltreich durch Krieg, Religion und Kunst zu fördern. Er eroberte Italien, Nordafrika und Südspanien, obwohl es wiederholte Einfälle der Perser gab, die den Osten zeitweise beinahe überrannten. Das Kaiserpaar propagierte sein christliches Reich als »den ersten und größten Segen der gesamten Menschheit« und unterdrückte Homosexuelle, Heiden, Ketzer, Samaritaner und Juden. Justinian entzog dem Judentum den Status einer zugelassenen Religion, verbot das Passahfest, wenn es vor Ostern fiel, wandelte Synagogen in Kirchen um, zwang Juden, sich taufen zu lassen, und bemächtigte sich der jüdischen Geschichte: 537 bei der Einweihung seiner Kirche Hagia Sophia (»Heilige Weisheit«) mit ihrer atemberaubenden Kuppel in Konstantinopel sagte er angeblich: »Salomo, ich habe dich übertroffen.« Anschließend wandte er sich Jerusalem zu, um Salomos Tempel zu übertrumpfen.
    Dort begannen Justinian und Theodora 543 mit dem Bau der Nea-(Neue)Kirche der heiligen Maria, Mutter Gottes; sie war annähernd 120 Meter lang, 57 Meter breit, hatte 5 Meter dicke Mauern, stand vom Tempelberg abgewandt und sollte die Stätte von

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