Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
Tag bereit zu sein. Zwei der berühmtesten Jerusalemer Familien, die bis ins 20. Jahrhundert eine herausragende Rolle in dieser Geschichte spielen, [110] führen ihre Abstammung auf diese ersten arabischen Aristokraten der Stadt zurück. [78]
Nicht nur die Generäle Chalid und Amr begleiteten Omar nach Jerusalem, sondern auch ein lebenslustiger, aber fähiger junger Mann, der sich von dem Peitsche schwingenden Oberhaupt so stark unterschied, wie man es sich nur vorstellen kann. Muawiya ibn Abi Sufyan war der Sohn Abu Sufyans, des Aristokraten aus Mekka, der die Opposition gegen Mohammed angeführt hatte. Muawiyas Mutter aß nach der Schlacht von Uhud die Leber von Mohammeds Onkel Hamza. Als Mekka vor dem Islam kapitulierte, ernannte Mohammed Muawiya zu seinem Sekretär und heiratete seine Schwester. Nach Mohammeds Tod ernannte Omar Muawiya zum Statthalter von Syrien. Das Oberhaupt machte ihm ein zweifelhaftes Kompliment, indem er Muawiya als »Cäsar der Araber« bezeichnete.
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Die Omaijaden: Die Wiederherstellung des Tempels
660 – 750
Muawiya: arabischer Cäsar
Muawiya herrschte vierzig Jahre über Jerusalem, zunächst als Statthalter von Syrien, anschließend als Monarch des arabischen Reiches, das mit erstaunlicher Geschwindigkeit nach Osten und Westen expandierte. Aber inmitten dieser Erfolge brach ein Bürgerkrieg um die Nachfolge aus, der den Islam beinahe zerstörte und zu einem Schisma führte, das ihn bis heute spaltet.
Nachdem Omar 644 ermordet wurde, trat Othman, ein Vetter Muawiyas, seine Nachfolge an. Nach über zehn Jahren war er wegen seines Nepotismus allseits verhasst. Als er ebenfalls einem Mordanschlag zum Opfer fiel, wurde der Vetter des Propheten, Ali, der zudem mit dessen Tochter Fatima verheiratet war, zum Oberhaupt der Gläubigen gewählt. Muawiya verlangte, dass Ali die Mörder bestrafte – aber das neue Oberhaupt weigerte sich. Muawiya fürchtete, seine Domäne in Syrien zu verlieren. Es brach ein Bürgerkrieg aus, den Muawiya gewann; Ali wurde im Irak getötet, und damit endete die Regentschaft des letzten sogenannten rechtgeleiteten Kalifen.
Im Juli 661 versammelte sich die Elite des arabischen Reiches auf dem Tempelberg in Jerusalem, um Muawiya zum Oberhaupt der Gläubigen zu wählen und ihm auf traditionelle arabische Art – bayah – die Treue zu schwören. [111] Anschließend besuchte das neue Oberhaupt das Heilige Grab und das Grab der Jungfrau Maria; er kam allerdings nicht als Pilger, sondern um die Kontinuität der Religionen und seine imperiale Rolle als Beschützer der heiligen Stätten zu demonstrieren. Er regierte von Damaskus aus, liebte aber Jerusalem, das er auf seinen Münzen »Iliya Filastin« – Aelia Palästina – nannte. Er war versucht, Jerusalem zu seiner Hauptstadt zu machen, und hielt sich wahrscheinlich häufig dort in einem der luxuriösen Paläste unmittelbar südlich vom Tempelberg auf, die vielleicht von ihm erbaut wurden. Muawiya entlehnte jüdische Überlieferungen über den Tempelberg, wonach Jerusalem das »Land der Einsammlung und Auferstehung am Jüngsten Tag« war, und fügte hinzu: »Die Fläche zwischen den beiden Mauern dieser Moschee ist Gott teurer als der Rest der Erde.«
Christliche Autoren lobten seine Regentschaft als gerecht, friedlich und tolerant; Juden nannten ihn einen »Freund Israels«. Seiner Armee gehörten Christen an, und er zementierte sein Bündnis mit christlichen Araberstämmen, indem er Maysun, die Tochter ihres Scheichs, heiratete und ihr erlaubte, Christin zu bleiben. Zudem ließ er sein Reich durch Mansur ibn Sanjun (arabisch für Sergius) verwalten, einen christlichen Bürokraten, den er von Heraklius übernommen hatte. Muawiya war Seite an Seite mit den Juden Arabiens aufgewachsen, und wenn eine ihrer Delegationen ihn aufsuchte, fragte er angeblich als Erstes, ob sie das köstliche Gericht haris kochen könnten, das er in seiner Heimat so gern gegessen hatte. Muawiya siedelte weitere Juden in Jerusalem an und erlaubte ihnen, an der Stelle des Allerheiligsten zu beten; ein Beleg dafür könnten die Spuren einer Menora auf dem Tempelberg sein, die aus dem 7. Jahrhundert stammen.
Wahrscheinlich war Muawiya der eigentliche Schöpfer des islamischen Tempelbergs in seiner heutigen Gestalt. Er baute dort die erste Moschee, ebnete den Felsen der ehemaligen Burg Antonia ein, erweiterte die Tempelplattform und fügte einen sechseckigen Kuppelbau mit offenen Seiten hinzu, den Kettendom: Wozu er diente ist nicht
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