Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
»Fliegentöter« gab. Auch er war ein königlicher Liebhaber, der gern über Erotik sinnierte: »Wer eine Sklavin zum Vergnügen haben möchte, nehme eine Berberin; um ein Kind zu zeugen, nehme er eine Perserin; als Hausdienerin nehme er eine Byzantinerin.« Abd al-Malik ging als Jugendlicher durch eine harte Schule. Mit 16 Jahren befehligte er eine Armee im Krieg gegen die Byzantiner; er war Zeuge des Mordes an seinem Vetter, dem Oberhaupt der Gläubigen Othman; und er reifte zu einem geistlich-weltlichen Monarchen heran, der keine Angst hatte, sich die Hände schmutzig zu machen. Zunächst eroberte er den Irak und den Iran. Als er einen Rebellenführer gefangen nahm, folterte er ihn in Damaskus öffentlich vor den Augen der Menge, legte ihm ein silbernes Halsband um und führte ihn herum wie einen Hund, bevor er »sich breitbeinig auf seine Brust hockte, ihm die Kehle durchschnitt und seinen Kopf seinen Anhängern zuwarf«.
Mekka blieb vorerst für ihn außer Reichweite, aber er hatte Jerusalem, das er ebenso liebte wie Muawiya. Abd al-Malik schwebte vor, aus dem zweiten Bürgerkrieg heraus ein vereintes islamisches Reich mit Bilad al-Shmas – Syrien-Palästina – im Zentrum zu schaffen: Er plante eine Straße von Jerusalem nach Damaskus. [114] Muawiya hatte geplant, auf dem Felsen des Tempelbergs zu bauen: Abd al-Malik stiftete nun seine ägyptischen Einkünfte aus sieben Jahren für den Bau des Felsendoms.
Der Grundriss ist von erlesener Schlichtheit: eine Kuppel mit einem Durchmesser von 20 Metern, aufgesetzt auf einen Tambour, ruht auf einem Achteckbau. Der Kuppelbau ist ebenso schön, kraftvoll und schlicht wie rätselhaft: Es ist nicht genau bekannt, warum Abd al-Malik ihn baute – dazu äußerte er sich nie. Eigentlich ist es keine Moschee, sondern ein Schrein. Das Oktogon ähnelt der Grabkirche eines christlichen Märtyrers, und tatsächlich weist die Kuppel Ähnlichkeit mit denen der Grabeskirche und der Hagia Sophia in Konstantinopel auf, während die umlaufenden Wandelgänge an die Kaaba in Mekka erinnern.
Der Felsen war der Ort, an dem sich Adams Paradies, Abrahams Altar sowie Davids und Salomos Tempel befunden hatten und den Mohammed während seiner Nachtreise besuchte. Abd al-Malik baute nun den jüdischen Tempel für die wahre Offenbarung Gottes, den Islam, wieder auf.
Der Felsendom umgibt den zentralen Raum in drei Kreisen ohne erkennbare Zentralachse: Den ersten Umkreis bilden die Außenmauern, darauf folgt die achteckige Arkade und unter der Kuppel, in Sonnenlicht gebadet, die Arkade um den eigentlichen Felsen: Diese Anlage brachte zum Ausdruck, dass dieser Ort der Mittelpunkt der Welt war. Die Kuppel war der Himmel, die Verbindung zu Gott in der menschlichen Architektur. Die goldene Kuppel, die üppigen Dekorationen und der glänzend weiße Marmor verkündeten, dass sich hier der neue Garten Eden und der Ort des Jüngsten Gerichts befanden, an dem Abd al-Malik und seine Omaijadendynastie ihr Königreich in der Stunde des Jüngsten Tages Gott übergeben würden. Die Fülle der Bilder – Juwelen, Bäume, Früchte, Blumen und Kronen – lässt den Bau selbst für Nichtmuslime heiter wirken; in ihnen verbindet sich die Sinnlichkeit des Gartens Eden mit der Majestät Davids und Salomos.
Der Felsendom hatte somit auch eine imperiale Botschaft: Da Abd al-Malik Mekka nicht von den Rebellen zurückerobert hatte, demonstrierte er der islamischen Welt nun die Größe und Dauerhaftigkeit seiner Dynastie – und wenn er die Kaaba letztlich nicht doch noch zurückerobert hätte, hätte er Jerusalem vielleicht zu seinem neuen Mekka gemacht. Die goldene Kuppel projizierte seinen Glanz als islamischer Herrscher. Aber sie richtete sich auch an ein breiteres Publikum: Ebenso wie Justinians Hagia Sophia in Konstantinopel Salomo übertroffen hatte, übertraf Abd al-Malik nun Justinian und auch Konstantin den Großen und bestritt damit den christlichen Anspruch, das neue Israel zu sein. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die Mosaiken vermutlich das Werk byzantinischer Handwerker waren, die Justinian II. dem Oberhaupt der Gläubigen in einer seltenen Friedensphase zwischen den beiden Reichen ausgeliehen hatte.
Sobald der Bau 691/692 fertig war, veränderte er Jerusalem für immer: Abd al-Maliks erstaunliche Vision vereinnahmte die Silhouette Jerusalems für den Islam, indem er sie ausgerechnet auf den Berg baute, den die Byzantiner verachteten und der das Stadtbild beherrschte. Räumlich
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