Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
heißt es im Koran. Der Glaube an das Jüngste Gericht schürte den militanten Fanatismus der frühmuslimischen Gläubigen. Auch wenn es nicht ausdrücklich im Koran stand, wussten sie von den jüdisch-christlichen Propheten, dass es in Jerusalem stattfinden musste. Wenn ihnen diese Stunde bevorstand, mussten sie Jerusalem haben.
Chalid und die übrigen Generäle stießen vor den Stadtmauern zu Amr, aber vermutlich waren die arabischen Armeen zu klein, um die Stadt zu stürmen, und offenbar kam es nicht zu größeren Gefechten. Sophronius weigerte sich einfach, zu kapitulieren, solange das Oberhaupt der Gläubigen ihm nicht persönlich Toleranz garantierte. Amr schlug vor, das Problem zu lösen, indem sie einfach Chalid als Oberhaupt ausgaben; da er aber erkannt wurde, riefen sie Omar aus Mekka herbei.
Das Oberhaupt der Gläubigen inspizierte gerade die arabischen Armeen in Jabiya im Golangebiet, und vermutlich trafen die Jerusalemer dort mit ihm zusammen, um ihre Kapitulation auszuhandeln. Die monophysitischen Christen, die in Palästina die Mehrheit stellten, hassten die Byzantiner, und die frühmuslimischen Gläubigen räumten ihren monotheistischen Glaubensbrüdern offenbar nur zu gern Glaubensfreiheit ein. [106] Wie es dem Koran entsprach, bot Omar Jerusalem ein Schutzbündnis – Dhimma – an, das den Christen gegen Zahlung der Unterwerfungssteuer, Dschizya , religiöse Toleranz zusicherte. Sobald diese Vereinbarung getroffen war, machte Omar sich auf den Weg nach Jerusalem, ein Hüne in zerlumpten, geflickten Gewändern, der nur von einem Diener begleitet auf einem Maultier ritt.
Omar der Gerechte: der wiedergewonnene Tempel
Als Omar vom Berg Skopus aus Jerusalem sah, befahl er seinem Muezzin, zum Gebet zu rufen. Nach dem Gebet zog er das weiße Pilgergewand an, stieg auf ein weißes Kamel und ritt hinunter, um Sophronius zu treffen. Die byzantinischen Würdenträger erwarteten den Eroberer in juwelenbesetzten Gewändern, die in krassem Gegensatz zu seiner puritanischen Schlichtheit standen. Omar, das hünenhafte Oberhaupt der Gläubigen, hatte sich in seiner Jugend als Ringer hervorgetan und war ein unnachgiebiger Asket, der immer eine Peitsche bei sich trug. Es hieß, wenn Mohammed einen Raum betreten habe, hätten Frauen und Kinder weiter geplaudert und gelacht, aber wenn sie Omar sahen, seien sie verstummt. Er begann, den Koran zusammenzustellen, schuf den muslimischen Kalender und einen Großteil des islamischen Rechts und erlegte den Frauen wesentlich strengere Regeln auf als der Prophet. Als sein Sohn sich einmal betrank, ließ Omar ihn mit achtzig Peitschenhieben bestrafen, die ihn töteten.
Sophronius übergab Omar die Schlüssel der Heiligen Stadt. Als der Patriarch Omar und seine zerlumpte Horde arabischer Reiter auf Pferden und Kamelen sah, murmelte er, das seien »die Gräuel der Verwüstung«. Die meisten stammten aus dem Hedschas oder aus dem Jemen, reisten schnell und mit leichtem Gepäck, in weite Gewänder und Turbane gehüllt, und lebten von ilhiz (gemahlenem Kamelhaar mit Blut vermischt und gekocht). Ganz im Gegensatz zur gut gepanzerten persischen und byzantinischen Kavallerie mit ihren Kataphrakten trugen bei ihnen nur Kommandeure Kettenhemd oder Helm. Die übrigen »ritten zottige gedrungene Pferde, hatten glänzend polierte Schwerter, aber in schäbigen Stoffscheiden«. Sie trugen Bögen und Speere, die mit Kamelsehnen umwunden waren, und Schilde aus rotem Rindsleder, die »einem dicken roten Brotlaib« ähnelten. Sie verehrten ihre breiten Schwerter, sayf , gaben ihnen Namen und besangen sie in Gedichten.
Aus Stolz über ihre ungehobelte Art trugen sie »vier Haarlocken« aufgesteckt »wie Ziegenhörner«. Wenn sie kostbare Teppiche fanden, ritten sie darauf, zerschnitten sie, um Speerhüllen daraus zu machen, und freuten sich über die – menschliche und materielle – Beute, wie alle anderen Eroberer. Einer von ihnen schrieb: »Plötzlich spürte ich eine menschliche Gestalt unter einigen Decken. Ich riss sie fort, und was fand ich? Eine Frau wie eine Gazelle, strahlend wie die Sonne. Ich nahm sie und ihre Kleider und gab diese als Beute ab, bat aber, dass man das Mädchen mir zuspräche. Ich nahm sie als Konkubine.« [107] Die arabischen Armeen hatten keine technischen Vorteile, waren aber fanatisch motiviert.
Laut den traditionellen muslimischen Quellen, die wesentlich später entstanden, begleitete Sophronius das Sarazenenoberhaupt zur Grabeskirche in der Hoffnung, dass
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