Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
bekannt, aber da er sich genau in der Mitte des Tempelbergs befindet, feierte er vielleicht den Mittelpunkt der Welt. Ein Zeitgenosse schrieb, Muawiya »behaut den Berg Moriah, planiert ihn und baut dort eine Moschee auf dem heiligen Felsen«. Als ein gallischer Bischof namens Arculf nach Jerusalem kam, sah er, dass »an der Stelle, an der früher der Tempel stand, die Sarazenen nun ein langgestrecktes Gebetshaus nutzen, das aus Brettern und dicken Balken über einigen Ruinenresten gezimmert ist und angeblich 3000 Menschen Platz bietet«. Noch war es wohl kaum als Moschee erkennbar, stand aber vermutlich an der Stelle, an der sich heute die al-Aqsa-Moschee befindet. [112]
Muawiya personifizierte hilm , die Weisheit und Geduld des arabischen Scheichs: »Ich benutze nicht mein Schwert, wenn meine Peitsche genügt, nicht meine Peitsche, wenn meine Zunge genügt. Und wenn auch nur ein Haar mich mit meinem Nächsten verbindet, lasse ich es nicht zerreißen. Wenn sie ziehen, lasse ich locker, wenn sie locker lassen, ziehe ich.« Diese Äußerung kommt einer Definition von Staatskunst nahe. Muawiya, der Schöpfer der arabischen Monarchie und Begründer der Omaijadendynastie, ist ein weithin vernachlässigtes Vorbild für absolute Macht, die nicht absolut korrupt sein muss. Er dehnte sein Reich nach Ostpersien, Zentralasien und Nordafrika aus, eroberte Zypern und Rhodos und machte die Araber mit seiner neuen Marine zu einer Seemacht. Alljährlich griff er Konstantinopel an und belagerte die Stadt einmal drei Jahre lang zu Land und zur See.
Aber Muawiya verlor nie die Fähigkeit, über sich zu lachen, eine Eigenschaft, die bei Politikern, geschweige denn bei Eroberern höchst selten ist. Er wurde sehr dick (vielleicht war er deshalb der erste arabische Monarch, der einen Thron benutzte, statt auf Kissen zu sitzen) und hänselte einmal angeblich einen ebenfalls dicken Adeligen: »Ich hätte gern eine Sklavin mit Beinen wie deinen.«
»Und mit einem Hintern wie deinem«, erwiderte der alte Mann.
»Recht so«, lachte Muawiya, »wer etwas anfängt, muss auch die Konsequenzen tragen.« Er verlor nie seinen Stolz auf seine legendäre sexuelle Potenz, aber selbst in dieser Hinsicht konnte er einigen Spaß vertragen: Als er einmal in seinem Harem mit einer Sklavin aus Chorasan turtelte und man ihm eine andere Sklavin präsentierte, nahm er diese ohne weitere Umstände. Als sie wieder gegangen war, fragte er das Mädchen aus Chorasan, stolz auf seine löwenhafte Leistung: »Was heißt ›Löwe‹ auf persisch?«
» Kaftar «, antwortete sie.
»Ich bin ein kaftar «, brüstete er sich vor seinen Höflingen, bis ihn jemand fragte, ob er wisse, was ein kaftar sei.
»Ein Löwe?«
»Nein, eine lahme Hyäne!«
»Gut«, kicherte Muawiya, »dieses Mädchen aus Chorasan weiß sich zu rächen.«
Als Muawiya mit über achtzig Jahren starb, wurde sein Erbe Yazid, ein Wüstling, der immer einen zahmen Affen bei sich hatte, auf dem Tempelberg als Nachfolger akklamiert, sah sich aber schon bald mit Aufständen in Arabien und im Irak konfrontiert, die den zweiten islamischen Bürgerkrieg einleiteten. Seine Feinde verspotteten ihn: »Yazid der Schnäpse, Yazid der Hurerei, Yazid der Hunde, Yazid der Affen, Yazid der Weinsäufer.«
Hussein, der Enkel des Propheten, rebellierte gegen ihn, um den Tod seines Vaters Ali zu rächen, wurde aber in Kerbala im Irak enthauptet; sein Märtyrertod sorgte für die große Spaltung des Islam in die sunnitische Mehrheit und die Schia, die »Partei Alis«. [113] Yazid starb jedoch jung 683, und die syrische Armee machte seinen gewieften alten Verwandten Marwan zum Oberhaupt. Als Marwan im April 685 starb, trat sein Sohn Abd al-Malik in Damaskus und Jerusalem seine Nachfolge an. Aber sein Reich war gefährdet: In Mekka, Irak und Persien herrschten Rebellen. Dennoch schuf Abd al-Malik das Juwel des islamischen Jerusalem. [79]
Abd al-Malik: der Felsendom
Abd al-Malik ertrug Dummköpfe nicht. Als jemand ihm kriecherisch Komplimente machte, herrschte er ihn an: »Schmeichle mir nicht, ich kenne mich besser als du.« Nach seinem Bild auf seinen seltenen Münzen zu urteilen, war er ernst, hager und hakennasig. Er hatte schulterlanges, lockiges Haar und trug lange Brokatgewänder und ein Schwert am Gürtel, allerdings behaupteten seine Kritiker später, er habe große Augen, zusammengewachsene Brauen, eine vortretende Nase, eine gespaltene Lippe und so üblen Mundgeruch gehabt, dass man ihm den Spitznamen
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