Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
Vom Netzwerk:
Tage später schaute er sich die tödlichen Kämpfe von 2500 Gefangenen im Circus von Caesarea Maritima an und wohnte dem Gemetzel weiterer bei Spielen in Beirut bei, bevor er nach Rom zurückkehrte, um seinen Triumph zu feiern.
    Die Legionen schleiften den Rest der Stadt vollständig und rissen die Stadtmauern ein. Nur die Türme von Herodes’ Zitadelle ließ Titus als »Denkmale seines Glücks« stehen. Dort richtete die zehnte Legion ihr Hauptquartier ein. »Ein so trauriges Ende nahm die prächtige, weltberühmte Stadt Jerusalem«, schrieb Josephus.

    Bereits sechshundert Jahre zuvor hatte der babylonische König Nebukadnezar Jerusalem vollständig zerstört. Nach dieser ersten Zerstörung waren die Juden innerhalb von fünfzig Jahren zurückgekehrt und hatten den Tempel wiederhergestellt. Aber dieses Mal, nach 70 n.Chr., wurde der Tempel nicht wiederaufgebaut – und bis auf einige kurze Intermezzi gelangte Jerusalem nahezu 2000 Jahre lang nicht wieder unter jüdische Herrschaft. Aber die Asche dieser Katastrophe barg die Saat nicht nur des modernen Judentums, sondern auch der Heiligkeit Jerusalems für das Christentum und den Islam.
    Nach einer wesentlich späteren rabbinischen Legende hatte Yohanan ben Zakkai, ein geachteter Rabbiner, bereits in der Frühphase der Belagerung seine Schüler angewiesen, ihn in einem Sarg aus der dem Untergang geweihten Stadt zu tragen, eine Metapher für die Grundlegung eines neuen Judentums, das nicht mehr auf dem Opferkult im Tempel beruhte.
    Die Juden, die in ländlichen Gebieten Judäas und Galiläas und überall im Römischen und persischen Reich in großen Gemeinden lebten, beklagten den Verlust Jerusalems und verehrten die Stadt weiterhin. Anstelle des Tempels traten die Bibel und die mündliche Überlieferung, aber es heißt, Gott habe noch dreieinhalb Jahre auf dem Ölberg gewartet, ob der Tempel wiederaufgebaut werde, bevor er in den Himmel aufgestiegen sei. Die Zerstörung hatte auch für die Christen entscheidende Bedeutung.
    Die kleine christliche Gemeinde Jerusalems unter Führung Simons, des Vetters Jesu, war aus der Stadt geflüchtet, bevor die Römer sie einkesselten. Im Römischen Reich gab es zwar viele nichtjüdische Christen, aber diese Jerusalemer waren eine jüdische Sekte geblieben, die im Tempel gebetet hatte. Als der Tempel zerstört war, glaubten die Christen, die Juden hätten die Gunst Gottes verloren: Die Anhänger Jesu trennten sich für immer von ihrem Mutterglauben und beanspruchten, die rechtmäßigen Erben des jüdischen Vermächtnisses zu sein. Die Christen stellten sich ein neues, himmlisches Jerusalem vor, keine zerstörte jüdische Stadt. Die frühesten Evangelien, die vermutlich kurz nach der Zerstörung geschrieben wurden, erzählten, Jesus habe die Belagerung Jerusalems vorhergesehen: »Wenn ihr aber sehen werdet, dass Jerusalem von einem Heer belagert wird, dann erkennt, dass seine Verwüstung nahe herbeigekommen ist«; und auch die Zerstörung des Tempels: »Es wird hier nicht ein Stein auf dem anderen bleiben, der nicht zerbrochen werde.« Das verwüstete Heiligtum und der Fall der Juden galten als Beweis der neuen Offenbarung. Als Mohammed in den 620er Jahren seine neue Religion stiftete, übernahm er zunächst jüdische Traditionen, betete in Richtung Jerusalem und verehrte die jüdischen Propheten, weil die Zerstörung des Tempels auch für ihn bewies, dass Gott seinen Segen den Juden entzogen und dem Islam gegeben habe. [7]
    Es ist eine Ironie des Schicksals, dass Titus’ Entscheidung, Jerusalem zu zerstören, dazu beitrug, die Stadt für die beiden anderen Völker der Bibel zum Inbegriff der Heiligkeit zu machen. Von Anfang an entwickelte sich die Heiligkeit Jerusalems nicht einfach von selbst, sondern wurde durch die Entscheidungen einer Handvoll Männer gefördert. Um 1000 v.Chr., tausend Jahre vor Titus, eroberte der erste dieser Männer Jerusalem: König David.

Teil I
    Judentum
»Stadt des Herrn«, »Zion des Heiligen Israels« … Wach auf, wach auf, Zion, zieh an deine Stärke! Schmücke dich herrlich, Jerusalem, du heilige Stadt!
Jesaja 60,14; 52,1
Meine Geburtsstadt ist Jerusalem, wo das Heiligtum des höchsten Gottes steht. Die Heilige Stadt ist die Mutterstadt nicht nur eines Landes, Judäas, sondern auch der meisten Nachbarländer sowie ferner Länder, weiter Teile Asiens, ebenso Europas, ganz zu schweigen von den Ländern jenseits des Euphrats.
Herodes Agrippa I., König von Judäa, zitiert in Philo,
De Specialibus

Weitere Kostenlose Bücher