Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
Untertanen Ägyptens, das Palästina 1458 v.Chr. eroberte. In den nahe gelegenen Orten Jaffa und Gaza waren ägyptische Garnisonen stationiert. Besorgt bat der König von Jerusalem 1350 v.Chr. seinen ägyptischen Schutzherrn Echnaton, den Pharao des Neuen Reiches, ihm Hilfe zu schicken – sogar »fünfzig Bogenschützen« –, um sein kleines Königreich gegen Angriffe benachbarter Könige und marodierender Banden zu schützen. König Abdi-Hepa nannte seine Burg »Hauptstadt des Landes Jerusalem namens Beit Shulmani«, Haus des Wohlbefindens. Vielleicht geht der Bestandteil »Shalem« im Namen der Stadt auf das Wort »Shulman« zurück.
Abdi-Hepa war ein unbedeutender Potentat in einer Welt, dominiert von den Ägyptern im Süden, den Hethitern im Norden (der heutigen Türkei) und den Mykenern im Nordwesten, die den Trojanischen Krieg führten. Der erste Namensteil dieses Königs ist semitisch – als Semiten bezeichnet man die zahlreichen Völker und Sprachen des Nahen Ostens, die angeblich von Sem, dem Sohn Noahs, abstammen. Abdi-Hepa könnte also irgendwo aus dem nordöstlichen Mittelmeerraum stammen. Seine panischen, unterwürfigen Appelle, die man im Archiv des Pharaos fand, sind die ersten überlieferten Worte eines Jerusalemers: [2]
Zu Füßen des Königs falle ich sieben und sieben Mal nieder. Hier ist die Tat, die Milkili und Schuwardatu gegen das Land verübten – sie führten die Truppen von Gezer … gegen das Gesetz des Königs … Das Land des Königs ist an die Habiru [marodierende Banden] übergegangen. Und nun ist eine zu Jerusalem gehörende Stadt an die Männer von Qiltu übergegangen. Möge der König seinen Diener Abdi-Hepa erhören und Bogenschützen senden.
Mehr erfahren wir nicht darüber, aber was diesem belagerten König auch immer zugestoßen sein mag, kaum ein Jahrhundert später errichteten die Jerusalemer über der Gihonquelle am Berg Ophel steile Terrassenbauten, die bis heute existieren: die Fundamente einer Salemburg oder eines Salemtempels. [9] Diese mächtigen Mauern, Türme und Terrassen gehörten zu der kanaanitischen Burg Zion, die David erobern sollte. Irgendwann im Laufe des 13. Jahrhunderts v.Chr. besetzte ein Volk, das Jebusiter genannt wurde, Jerusalem. Mittlerweile zerstörten Angriffswellen sogenannter Seevölker aus der Ägäis die Ordnung der alten mediterranen Welt.
Unter diesem Ansturm von Überfällen und Völkerwanderungen wichen die bestehenden Reiche zurück. Die Hethiter fielen, Mykene wurde auf rätselhafte Weise zerstört, Ägypten erschüttert – und erstmals tauchte ein Volk auf, das man Hebräer nannte.
Abraham in Jerusalem: Israeliten
In diesem erneuten, 300 Jahre währenden »dunklen Zeitalter« konnten die Hebräer, auch Israeliten genannt – ein obskures Volk, das nur einen Gott anbetete –, sich in dem schmalen Landstreifen Kanaan ansiedeln und ein Königreich errichten. Ihre Entwicklung veranschaulichen Geschichten über die Erschaffung der Welt, ihre Herkunft und ihre Beziehung zu ihrem Gott. Diese Überlieferungen gaben sie mündlich weiter und hielten sie schließlich in heiligen hebräischen Schriften fest, die später in den fünf Büchern Mose, dem Pentateuch als erstem Teil der jüdischen Schriften, des Tanach, zusammengestellt wurden. Die Bibel entwickelte sich zum Buch der Bücher, besteht aber nicht aus einem Dokument. Vielmehr ist sie eine mystische Bibliothek aus verflochtenen Texten unbekannter Autoren, die sie zu unterschiedlichen Zeiten mit äußerst unterschiedlichen Zielen verfassten und bearbeiteten.
Dieses heilige Werk so vieler Epochen und so vieler Autoren enthält manche belegbaren historischen Fakten, einige unbeweisbare mythische Erzählungen, einige Dichtungen von erhabener Schönheit und viele mysteriöse Passagen, die unverständlich, vielleicht kodiert, vielleicht aber auch nur falsch übersetzt sind. Das meiste wurde nicht geschrieben, um Ereignisse zu schildern, sondern um eine höhere Wahrheit zu vermitteln – die Beziehung eines Volkes zu seinem Gott. Für Gläubige ist die Bibel schlicht die Frucht göttlicher Offenbarung. Für Historiker ist sie eine widersprüchliche, unzuverlässige, sich wiederholende, [3] aber unverzichtbare Quelle, weil sie häufig die einzige ist, die uns zur Verfügung steht – zudem ist sie tatsächlich die erste und überragende Biographie Jerusalems.
Laut Genesis, dem ersten Buch der Bibel, war der Stammvater der Hebräer Abraham, der demnach von Ur (im heutigen Irak) nach Hebron
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