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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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    Am Mittag des 24. Januar 41 verließ Caligula in Begleitung von Herodes Agrippa das Theater durch einen überdachten Gang, als einer der Prätorianer sein Schwert zog und rief: »Tu es!« Der Schwertstoß traf Caligula an der Schulter und spaltete ihn beinahe entzwei, aber er rief, er lebe noch. Die Verschwörer schrien: »Noch einmal«, und töteten ihn. Seine germanische Leibwache zog marodierend durch die Straßen, die Prätorianergarde plünderte den Kaiserpalast auf dem Palatin, ermordete Caligulas Frau und prügelte sein Baby tot. Unterdessen versuchte der Senat, die Republik wiederherzustellen und die Despotie der Kaiser zu beenden.
    Herodes Agrippa brachte die Leiche an sich, behauptete, um Zeit zu gewinnen, der Kaiser sei verwundet, lebe aber noch, und ging mit einem Prätorianertrupp in den Palast. Dort entdeckten sie hinter einem Vorhang, der sich bewegte, den lahmen, stotternden Claudius, Caligulas Onkel und Sohn der Antonia, die mit Agrippas Familie befreundet war. Gemeinsam bejubelten sie ihn als Kaiser und trugen ihn auf einem Schild in ihr Lager. Claudius, ein Republikaner, versuchte, die Ehrung abzulehnen, aber der jüdische König riet ihm, die Krone anzunehmen, und überredete den Senat, sie ihm anzubieten. Kein praktizierender Jude war jemals so mächtig, weder vorher noch nachher, auch nicht in moderner Zeit. Der neue Kaiser Claudius erwies sich als zuverlässiger, vernünftiger Herrscher und belohnte seinen Freund, indem er ihm Jerusalem und das gesamte Königreich Herodes’ des Großen übertrug und ihn zum Konsul ernannte. Selbst Agrippas Bruder erhielt ein Königreich.
    Herodes Agrippa hatte Jerusalem als mittelloser Draufgänger verlassen und kehrte als König von Judäa zurück. Er brachte im Tempel ein Opfer dar und las pflichtgemäß dem versammelten Volk das Deuteronomium vor. Die Juden waren gerührt, als er seine eigene gemischte Herkunft beklagte und Caligulas goldene Fesseln, das Symbol seines Glücks, dem Tempel stiftete. Dieser neue Herodes, der sich auf seinen Münzen »Großer König Agrippa, Freund des Cäsars« nannte, gewann die »Heilige Stadt« für sich, die für ihn die Hauptstadt nicht nur Judäas, sondern aller Juden in Europa und Asien war. Außerhalb Jerusalems lebte er als römisch-griechischer König, wenn er aber in der Stadt war, lebte er als Jude und opferte täglich im Tempel. Er verschönerte und befestigte die wachsende Stadt und baute eine dritte Stadtmauer um den neuen Vorort Bezetha – dessen nördlicher Teil inzwischen ausgegraben ist.
    Doch selbst Agrippa hatte Mühe, die Spannungen in Jerusalem in den Griff zu bekommen: Er ernannte nacheinander drei Hohepriester innerhalb von zwei Jahren und ging gegen die Judenchristen vor. Möglicherweise erfolgte diese Maßnahme zeitgleich mit Claudius’ Verfolgung der Judenchristen in Rom – wegen Unruhen »unter ihrem Anführer Chrestos« (Christus) wurden sie aus Rom vertrieben. In der Apostelgeschichte heißt es: »Um diese Zeit legte der König Herodes Hand an einige von der Gemeinde, um sie zu misshandeln.« Er ließ Jakobus (den Jünger, nicht den Bruder Jesu) enthaupten und Petrus gefangen nehmen, um ihn nach dem Passahfest hinzurichten. Irgendwie überlebte Petrus jedoch: Die Christen bejubelten es als Wunder, andere Quellen lassen allerdings vermuten, dass der König ihm, vielleicht als Geschenk an die Menge, schlicht die Freiheit schenkte.
    Agrippas Erfolg als Kaisermacher stieg ihm zu Kopf: Ohne die Römer um Erlaubnis zu fragen, berief er ein Gipfeltreffen regionaler Könige in Tiberias ein. Besorgt befahlen die Römer den Königen abzureisen. Als Agrippa später auf dem Forum in Caesarea in goldbesetztem Gewand Hof hielt wie ein griechischer Gottkönig, befielen ihn starke Leibschmerzen: Er wurde »von Würmern zerfressen«, heißt es in der Apostelgeschichte. Die Juden beteten in Sackleinen um seine Genesung, aber vergebens. Agrippa besaß das Charisma und Feingefühl, gemäßigte Juden, fanatische Juden und Römer zu versöhnen; mit ihm starb der Einzige, der Jerusalem hätte retten können. [57]
    Herodes Agrippa II .: Neros Freund
    Der Tod des Königs löste Unruhen aus. Obwohl sein Sohn, Agrippa II., erst 17 Jahre alt war, wollte Claudius ihm das Königreich übertragen, aber seine Berater warnten, er sei zu jung, um sein aufrührerisches Erbe zu verwalten. Daher unterstellte der Kaiser das Territorium wieder unmittelbar römischen Prokuratoren und übertrug dem Bruder des

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