Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
Samaritaner über seine Brutalität.
Der Statthalter von Syrien musste die Ordnung in Jerusalem wiederherstellen. Er entließ sowohl Kaiphas als auch Pilatus, den er nach Rom zurückschickte. Diese Maßnahme war so populär, dass die Jerusalemer den römischen Statthalter jubelnd empfingen. Pilatus verschwand von der Bildfläche. Mittlerweile war Tiberius Herodes Antipas leid geworden. [56] Das war allerdings noch nicht das Ende dieser Dynastie: Die Herodier sollten eine ungewöhnliche Restauration erleben, und das hatten sie dem abenteuerlustigsten jüdischen Prinzen zu verdanken, der sich mit dem wahnsinnigen römischen Kaiser anfreundete und Jerusalem zurückgewann.
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Die letzten Herodier
40 – 66 n.Chr.
Herodes Agrippa: Caligulas Freund
Der junge Herodes Agrippa wuchs in Rom in der Kaiserfamilie auf und freundete sich eng mit Drusus, dem Sohn des Kaisers Tiberius, an. Dieser charmante, extrovertierte Verschwender – der Enkel Herodes’ des Großen und Mariamnes, das Kind ihres hingerichteten Sohns Aristobulos – häufte enorm hohe Schulden an, um mit dem Sohn des Kaisers und dessen leichtlebigen Kreisen mitzuhalten.
Als Drusus 23 n.Chr. jung starb, konnte der trauernde Kaiser den Anblick der Freunde seines Sohnes nicht mehr ertragen; Herodes Agrippa, inzwischen mittellos, zog sich nach Galiläa zurück, das Herodes Antipas, dem Mann seiner Schwester Herodias, unterstand. Antipas gab ihm einen langweiligen Posten in Tiberias, aber Langeweile war nicht nach Agrippas Geschmack, daher floh er nach Idumäa, in die Heimat seiner Familie, und dachte an Selbstmord. Aber diesem verschwenderischen Draufgänger fiel immer etwas ein.
Um die Zeit, als Jesus gekreuzigt wurde, starb Philip, der Tetrarch der nördlichen Familienterritorien. Antipas bat den Kaiser, sein Herrschaftsgebiet nach Norden auszuweiten. Aber Herodes Agrippa, den Tiberius immer gemocht hatte, fuhr umgehend zum Kaiser nach Capri, um Anspruch auf dieses Gebiet zu erheben und die Forderung seines Onkels zu hintertreiben. Er fand Tiberius finster in der Jupitervilla vor, wo er seine übersättigten Sinne, laut dem Historiker Sueton, von Jungen befriedigen ließ, die er »Fischlein« nannte und die an seinen Geschlechtsteilen saugen mussten, während er im Teich schwamm.
Tiberius hieß Agrippa willkommen – bis er von den Schulden erfuhr, die er rund um das Mittelmeer hinterlassen hatte. Aber Agrippa, der geborene Spieler, überredete Antonia, die Freundin seiner Mutter, ihm Geld zu leihen und sich beim Kaiser für ihn einzusetzen. Tiberius achtete die strenge, keusche Antonia, die Tochter des Marcus Antonius, als ideale römische Aristokratin. Auf ihren Rat hin verzieh er dem jüdischen Halunken. Mit dem geliehenen Geld zahlte Agrippa aber nicht seine Schulden zurück, sondern schenkte es großzügig einem anderen bankrotten Prinzen, Caligula, der Tiberius gemeinsam mit Gemellus, dem Sohn seines verstorbenen Freundes Drusus, beerben sollte. Der Kaiser bat Agrippa, sich um Gemellus zu kümmern.
Stattdessen wurde der opportunistische Agrippa zum besten Freund des Gaius Caligula, der als Sohn des populären Feldherrn Germanicus beliebt war, seit man ihn als kindliches Maskottchen in Mini-Uniform (einschließlich Militärstiefeln, caligae – daher der Beiname Caligula, »Soldatenstiefelchen«) die Legionen hatte abschreiten lassen. Mittlerweile war er 25 Jahre alt, hoch aufgeschossen, zur Glatze neigend, verwöhnt, zügellos und vermutlich verrückt, aber er blieb der Liebling des Volkes und konnte es kaum abwarten, das Reich zu erben. Caligula und Herodes Agrippa führten vermutlich ein extravagant ausschweifendes Leben, das unendlich weit von der Frömmigkeit der Landsleute Agrippas in Jerusalem entfernt war. Eines Tages fuhren die beiden mit dem Wagen auf Capri herum und malten sich den Tod des Tiberius aus, was ihr Wagenlenker hörte. Als Agrippa ihn des Diebstahls anklagte, schlich der Wagenlenker zum Kaiser. Agrippa kam in den Kerker und wurde in Ketten gelegt, durfte aber dank der Protektion seines Freundes Caligula baden, Besucher empfangen und seine Lieblingsgerichte bekommen.
Als Tiberius schließlich im März 37 starb, trat Caligula, der den jungen Gemellus mittlerweile ermordet hatte, seine Nachfolge an. Sofort ließ er seinen Freund frei, schenkte ihm zum Andenken an seine Zeit in Ketten goldene Fesseln und machte ihn zum König über Philips Nordtetrarchie. Das Blatt hatte sich völlig gewendet. Sofort reisten Agrippas Schwester
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