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Jesses Maria - Hochzeitstag

Jesses Maria - Hochzeitstag

Titel: Jesses Maria - Hochzeitstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Berling
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legte seine Aktentasche auf den Stuhl, holte vorher die Bildzeitung und das Hasenbrot raus. Dann zog er Schuhe und Strümpfe aus und wusch sich im Spülstein neben dem Herd die Füße. Meine Mutter hob seine Socken auf und trug sie mit spitzen Fingern in den Waschkeller.
    Mein Vater hatte nämlich Schweißfüße. So, und während ich das schreibe, wird mir klar, warum ich bei Manni hängengeblieben bin! Wegen der Schweißfüße! Nicht, dass ich die toll fand, um Himmels willen, aber das muss das sein, was man frühkindliche Prägung nennt. Bei mir waren es eindeutig die Käsemauken meines Vaters.

Griechischer Wein
    Schönes Lied. Griechischen Wein hab ich noch nie getrunken. Und ich war auch noch nie in Griechenland. Eva Hansmeier aus dem Lottoladen fährt seit Jahren immer wieder nach Griechenland. Sie und ihr Mann Rolf waren schon überall: Rhodos, Kreta, Korfu, Kos, Santorin, Mykonos.
    Wir sprachen am Freitag darüber, als ich meine Rubbellose bei ihr gekauft habe.
    „Ich mag das Essen, das Wetter, die Strände und die Kultur der Griechen“, sagte Eva Hansmeier.
    Ich hätte große Bedenken, in ein Land zu reisen, in dem ich die Buchstaben nicht lesen kann. Deswegen reizt mich zum Beispiel Tunesien auch nicht. Man ist als Fremder total aufgeschmissen, wenn man die Worte aus dem Fremdenführer nicht vorlesen kann, wenn man zum Beispiel mal was sucht.
    „Ach was, die sprechen in Griechenland doch alle fließend Deutsch!“, hat Eva Hansmeier gesagt. Das hab ich nicht gewusst.
    Eva sagte: „Vielleicht nicht in den Dörfern und in Städten im Hinterland, aber in den zivilisierten Orten mit den deutschen Hotels können die alle Deutsch. Die kochen da ja auch deutsch. Das ist alles deutscher Standard, jedenfalls in den guten Hotelanlagen, nur das Wetter, das ist eben nicht deutscher Standard.“
    So richtig konnte ich nie nachvollziehen, warum man viel Geld dafür ausgibt, um ein Land quasi als Solarium zubenutzen.
    Ich bin noch nicht so oft verreist, weil Manni überhaupt nicht reisefreudig war. Der hasste es, wenn man seinen Alltag mit Reiseplänen störte. Wir hatten mal einen Wohnwagen mit Vorzelt in Borlefzen. Das ist ein kleiner Campingplatz in Vlotho an der Weser, mit Baggerteich, Angelrevier, Strand und Vereinsheim.
    Manni hatte von einem Arbeitskollegen einen Wohnwagen (Marke Lord Münsterland 420 P, Baujahr 1988) günstig gekauft. Er hatte den „Schlitten“, wie er ihn nannte, selber restauriert, und wir haben dann von Ostern bis Herbst die Wochenenden darin verbracht. Freitags kam Manni immer schon um 15:38 Uhr nach Hause, dann fuhren wir erst zum Ratio-Markt zum Einkaufen, danach packten wir die Kühltaschen und ab ging‘s ins Wochenende.
    „Zwanzig Minuten mit dem Auto, und schon sind wir in einer anderen Welt!“, sagte Manni immer.
    Ja. Eine Welt mit Klo und Duschen am anderen Ende des Geländes, mit durchgelegenen Polstern in rosa-blauem Gobelinmuster und Holzoptik an den Wohnwagenwänden.
    Ich weiß nicht, wie viele Freitage wir mit den Kindern bei strömendem Regen in der kleinen Kabine des Lord Münsterland 420 P vor einem tragbaren Schwarz-Weiß-Fernseher mit Zimmerantenne gesessen haben. Und wie viele Samstage Manni beim Frühschoppen im Vereinsheim geknobelt hat, während ich zusehen musste, dass ich in der Miniküche auf zwei Kochplatten Fleisch, Gemüse, Kartoffeln und Soße zeitgleich fertig bekam. Ich war richtig froh, als Manni sich miteinem der Platzwarte gestritten hatte und wir das „Anwesen“ aufgegeben haben.
    Wenn Udo Jürgens jetzt von griechischem Wein singt, krieg ich Fernweh. Er erzählt in dem Lied von einem Wirtshaus in einer Vorstadt, aus dem noch Licht auf den Gehsteig schien. Er hatte Zeit und ihm war kalt und deswegen ging er rein. Das ist für eine anständige Frau nicht wirklich möglich - auch heute noch nicht - in eine Kneipe zu gehen, aus der fremdländische Musik klingt und in der Männer mit braunen Augen und schwarzem Haar sitzen und Heimweh haben. Die würden einer alleinstehenden Frau auch nichts von Meer und grünen Hügeln erzählen und ihr roten Wein spendieren, der so ist wie das Blut der Erde.
    Ich ging mit Manni früher oft ins „Wittekinds-Eck“, weil das bei uns gegenüber war. Und dort verkehrte eine Frau, die hieß Trudi. Den Nachnamen weiß ich nicht mehr, jeder nannte sie nur Trudi. Sie war so an die sechzig Jahre alt und wirkte auf mich sehr selbstbewusst.
    Sie war nämlich alleinstehend, hatte, jedenfalls offiziell, nie einen Mann gehabt.

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