Jesus von Nazaret
seinen Körper zieht es nach unten, und das Letzte, was ich von ihm sehe, ist die zuckende Schwanzspitze. Es schüttelt mich vor Kälte von innen, von auÃen, ich keuche, ich schluchze, meine Knie geben nach, es wird mir schwarz vor den Augen.
Als ich wieder auf die Beine komme, weià ich nicht, wie viel Zeit vergangen ist. Ich muss ohnmächtig gewesen sein. Jedenfalls ist der wütige Hund nicht mehr da, als ich übers Wasser schaue. Und ich bekreuzige mich, spreche ein Ave-Maria und schlage auch ein Kreuz übers Wasser, für die arme Hundeseele.
Benommen arbeite ich mich aus meinem schwernassen Gewandtuch, wasche gebückt am Ufersaum den schwarzen Schlick und das Algengrün aus dem Leinen. Nur mit dem Hemd bekleidet, das nasse Gewand überm Arm, folge ich dem Weg aus der Teichmulde. Von einer Bodenwelle aus gewahre ich linker Hand einen Trupp von Männern in der Ferne. Sie ziehen an einem Zugseil ein mit Fässern beladenes Schiff stromaufwärts in Richtung Prüfning-Kloster. Ein Windhauch trägt Liedfetzen zu mir, die Männer singen im Takt, während sie Schritt um Schritt das bauchige Schiff gegen die Strömung treideln.
Wie in einem Traum ist mir zumute, so unwirklich istdie Landschaft, der Fluss, sind drüben die Winzerberge, wie erstarrt verharrt ein Libellen-Paar vor mir in der Luft, und ich stehe, das nasse Hemd festgeklebt am bloÃen Leib, mutterseelenallein in der schweigenden Landschaft.
Dann kehre ich mit einem Ruck in die Wirklichkeit zurück. Bis in die Ohren höre ich mein Herz pochen: Effelin, der Priester, die Letzte Ãlung! Und du, Kathie, bist nicht dabei, um von Effelin Abschied zu nehmen!
Wie lange bin ich hier drauÃen gewesen? Zwei Stunden? Drei Stunden? Zwischen aufziehenden Regenwolken steht die Sonne kaum eine Handbreit über den Hügeln von Sinzing, es ist schon später Nachmittag. Ich renne los. Eile, hetze, jage auf bloÃen FüÃen die Pfade und Wege entlang, die nach Prebrunn, zum Schwesternhaus von St. Sixtus führen.
Im Laufen werfe ich mir mein Gewandtuch über, das nasse Haar pappt am Kopf, in meinem Nacken, das feuchte Leinen klatscht mir um die Beine. Und dann fängt es auch noch an, zu tröpfeln und richtig zu regnen. Auf einem zweiräderigen Karren stapelt sich gedörrter Flachs, hinter dem Zugochsen geht ein Fuhrmann, er ruft und lacht hinter mir her. Mit fliegendem Atem erreiche ich endlich unsere Hofreite.
Dem Himmel sei Dank! Gerade noch rechtzeitig habe ich es geschafft! Aus Regensburg kommend, hält ein Priester mit seinem Esel eilig auf unseren Hof zu, Ministranten begleiten ihn. Ich atme tief ein und aus. Dann husche ich am Hofbrunnen vorbei, streife in InasKammer meine nasse Kleidung ab, finde in ihrer Truhe frische Anziehsachen, auch ein paar Schuhe. Im nächsten Augenblick bin ich im Kräuterhaus bei den Schwestern, die um Effelins Lager versammelt sind.
Wir empfangen kniend den Priester, der Effelin das Sterbesakrament bringt. Er salbt ihr die Augenlider, die Ohren, Nase, Mund, die Hände und die FüÃe.
»Gott, der Herr, verzeihe dir alle Sünden, die du mit deinen Sinnen und mit deinen Gliedern begangen hast!«, sagt der Priester.
Den Leib des Herrn kann er Effelin zur Wegzehrung nicht reichen. Effelin liegt auch jetzt noch, nach Stunden, so unbeweglich da wie im Garten, als sie der Schlag getroffen hatte. Unansprechbar, sie kann ihre letzte Beichte nicht ablegen.
Märthe hat eine Laterne bereitgestellt, denn es dunkelt schon, als sie mich heiÃt, den Priester in die Stadt zurückzugeleiten.
Eigentlich möchte ich mich zu Ina setzen und meine Hundegeschichte loswerden. Der Schreck sitzt mir noch in allen Gliedern. Der scheuÃliche Hundeblick will einfach nicht von mir weichen, er verfolgt mich, selbst als ich beim Gebet des Priesters meine Augen schloss, sah ich die vor Wut geröteten Pupillen des schwarzen Höllenhundes vor mir. Es wird mir helfen, wenn ich Ina davon erzähle. Doch Märthe, unserer Meisterin, widerspricht man nicht. Ich schon gar nicht. Weil Märthe für uns alle Sorge trägt, genau wie ich für meinen Garten.
Also nehme ich die Laterne und mache mich mit dem Priester auf den Weg in die Stadt. Wenigstens aber hat der Regen aufgehört. Der Himmel klart auf, in einer Wolkenlücke erkenne ich die Bärensternbilder linker Hand über der Donau.
Wir passieren das Stadttor mit den Wächtern. Hinter dem Tor
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