Jesus von Nazaret
taumelnden Beinen geradewegs auf mich zuhält. Den Kopf gesenkt, sein Maul steht offen, die bläuliche Zunge hängt tief heraus. Mit einem Satz springe ich ins Wasser, in den Teich neben mir, spüre Mulm und Matsch um die Beine, sinke bis an die Knie ein. Der schwarze Kerl hält in doppelter Armeslänge von mir entfernt am grasigen Uferrand an, zeigt mir die Zähne, verzerrt sein Gesicht.
Jesus, Maria!, bete ich stumm.
Wird der Kerl mir nachspringen, dann bin ich verloren. Wutgeifer steht ihm weià vorm Maul, vor Tollheit und Raserei funkeln seine Augen. Ich taste mich einen weiteren Schritt zurück, ohne das Tier aus den Augen zu lassen. Der Grund unter meinen FüÃen gibt weiter nach, jetzt reicht das Wasser mir bald bis an den Nabel. Und ich kann nicht schwimmen. Doch lieber ertrinken, als von einem tollwütigen Hund gebissen zu werden!
Mit knatterndem Flügelschlag fliegt ein Entenschwarm hinter mir auf, hält hoch über meinem Kopf auf Prebrunn, auf Regensburg zu. Die turmbewehrte Mauer der Stadt leuchtet wie ein glänzendes Band im gleiÃenden Mittagslicht zu mir herüber, unerreichbar in der Ferne.
Eine Erinnerung meldet sich, kurz wie ein Blitz, schneller, als ich es jetzt hier in Worte fassen kann.
Ich stand bei Effelin in unserer Hofreite, und Sybolts Vater erzählte, wie er seinen Ãltesten an einen tollwütigen Hund verlor. Sybolt, so heiÃt unser Ziegenhirt, und vor ihm hütete dessen Bruder unsere Tiere. Einen Ratscher, mehr nicht hatte der Junge von dem Biest abbekommen, erzählte sein Vater, bloà einen Ratscher an der Hand. Gegen die Hundsraserei aber gebe es kein anderes Mittel, als die Wunde auszubrennen. Das habe dann der Schmied getan, mit weià glühendem Eisen aus der Esse. Direkt auf die bloÃe Hand. Doch geholfen hatte es nichts. Nach wenigen Tagen knurrte und murrte der arme Junge genau wie ein Hund, biss wie rasend um sich und rannte schlieÃlich wie wild auf allen vieren davon. Ja, genau wie es die Hunde tun, auf allen vieren.
Soll ich, Kathie, das Gartenmädchen von St. Sixtus, auch so enden? Oder muss ich jetzt hier ertrinken?
Das will ich nicht. Doch ich muss mich von der Stelle bewegen, ich sacke immer tiefer ein. Nur, wohin mit mir? Der schwarze Kerl lässt mich nicht aus den Augen, unverwandt ist sein böser Blick auf mich gerichtet. Er steht taumelnd auf seinen Beinen und beiÃt um sich in die Luft, wässriger Geifer trieft von seinen Lefzen. Zwischendurch leckt er sich heftig, schnappt nach Schmetterlingen oder Fliegen. Und schon wieder lässt er sein lang gezogenes, schauriges Heulen vernehmen.
Da vorn, beim Erlengebüsch, ragt eine kleine Landzunge ins Wasser, Steine liegen, von Wasser umspült, an ihrem Grasrand. Wenn ich das Tier mit Steinwürfenverscheuchen könnte, hätte ich gewonnen! An Zielsicherheit war mir nicht eins von den Dorfkindern in Taytingen überlegen gewesen.
Behutsam taste ich mich nach rechts. Mühsam komme ich gegen Schlick und Schlamm, gegen den Modder an, der an meinem Gewandtuch, an meinen Beinen zieht, ich verliere einen Schuh, ein Schritt weiter bleibt der zweite im Uferschlamm stecken, ich schaffe es aber trotzdem bis zu den Erlen.
Bevor ich jedoch die Steine erreiche, erwartet mich auf der Landzunge bereits das schwarze Geifermaul.
Und jetzt? Irgendwann habe ich sagen gehört, kein Hund täte einem nackten Menschen etwas zuleide. Soll ich es versuchen? Doch wie kriege ich das schlammdurchtränkte Gewandtuch vom Leib? Ganz abgesehen von dem Hemd darunter? Ich würde mich dabei so heftig bewegen müssen, dass ich noch tiefer im Mulm und Modder versacke.
Jesus, Maria, hilf! Mittlerweile bin ich mit meinen Kräften am Ende. Tränen laufen mir übers Gesicht.
Und vor Wut brülle ich lauthals: »Pack dich! Ab ins Gebüsch, dummer Kerl! Mach die Augen zu, sag dein Nachtgebet! Kommt wer vorbei, schlägt er dich mit dem Knüppel tot!« Ich schreie den Kerl mit solchem Stimmaufwand an, dass mir mittendrin die Stimme aussetzt. »Hörst du, jetzt pack dich, los, mach dich fort!«, ende ich im Flüsterton.
Da setzt das Tier heulend zum Sprung an. Ich kann mich gerade noch ins Wasser ducken, da tut es nebenmir einen riesigen Platscher. Ich reiÃe meine FüÃe aus dem Uferschlamm, lange ins Gebüsch und ziehe mich an Land.
Der schwarze Kerl treibt zwei, drei Klafter entfernt in der Teichmulde, sein Kopf unter Wasser,
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