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Jesus von Nazaret

Jesus von Nazaret

Titel: Jesus von Nazaret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alois Prinz
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hält der Priester an.
    Â»Du musst mich nicht länger begleiten«, sagt er. »Da ist aber noch eines, das ich dich fragen will. – Hebe die Laterne, dass ich dein Gesicht sehe!«
    Ich gehorche stumm und blinzle wegen des blendenden Lichts.
    Der Priester mustert mich und nickt. »Ihr seht euch unglaublich ähnlich!«, sagt er dann und bedeutet mir, die Laterne zu senken. »Du und die junge Frau am Kopfende der Kranken – seid ihr Geschwister?«
    Â»Zwillingsgeschwister sind wir, Herr«, sage ich.
    Â»Das hatte ich mir fast gedacht«, meint er. »Die großen Augen, das kastanienbraune Haar, und wie ihr euch haltet, alles stimmt überein. – Und du heißt?«
    Â»Ich bin Kathie, meine Schwester heißt Ina«, antworte ich.
    Â»Das gibt zusammen den Namen Katharina«, stellt er fest.
    Â»Am Katharinentag sind wir getauft«, erkläre ich ihm. »Der Priester hat Katharinas Namen in zwei Hälften geschnitten, die erste Hälfte gab er mir.«
    Â»Du bist also die Ältere«, sagt er.
    Â»Vielleicht, vielleicht auch nicht«, sage ich.
    Â»Wieso, weiß es eure Mutter nicht?«, will er wissen.
    Â»Mutter ist tot, Verwandte haben uns zu den Schwestern von St. Sixtus gegeben«, erkläre ich ihm. »Früher wurden wir beide ständig verwechselt, Ina und ich. Möglicherweise schon gleich nach der Geburt.«
    Der Priester wirkt nachdenklich. »Ausschließen kann man das nicht«, meint er. »Dann seid ihr also nicht sicher, wer von euch beiden Kathie oder Ina ist?«
    Seltsam, das hat bisher noch kein Mensch gefragt! Doch genau so ist es. Eigentlich wissen wir Zwillinge nicht, wer von uns beiden Kathie und wer Ina ist.
    Â»Früher haben wir uns oft deswegen gestritten«, sage ich.
    Â»Das ist eine kniffelige Sache!«, sagt er. »Etwas für die Rechtsgelehrten. Maior dividat, minor eligat, heißt es im Recht. Der Ältere teilt, der Jüngere wählt! Gebt gut aufeinander acht, ihr beiden. Wer von euch Kathie heißt, trägt Verantwortung für Ina.«
    Mich überläuft es. Was will der Priester damit sagen?
    Â»Danke, Herr!«, sage ich leise. »Euer Wort vergesse ich nicht.«
    Â»Dann sei Gott befohlen!«, sagt er. »Und jetzt laufe heim nach St. Sixtus!« Beim Weggehen dreht er sich noch einmal um. »Beim supplicium* werde ich eure Namen dem Schutz der Gottesmutter befehlen.« Damit verschwindet er in der Dunkelheit.
    Ich weiß nicht, was ein supplicium ist. Auf dem Rückweg wiederhole ich mehrmals laut das fremde Wort, um Ina nachher danach zu fragen.
    Auf den Stufen zum Haupthaus begegne ich der Meisterin. »Mädchen, gottlob, da bist du ja!«, empfängt sie mich. »Ich mache mir schon Gedanken, warum du so lange ausbleibst. Ist alles in Ordnung?«
    Â»Der Priester wollte noch mit mir reden«, erkläre ich Märthe und stelle die Laterne ab.
    Â»Dann ist es ja gut«, sagt sie. »Lauf in die Küche und hole dir Brot! – Wir haben Effelins Krankenwachen abgesprochen. Elspet übernimmt mit dir die letzte Wache. Und schlafen tust du nicht in der Kräuterkammer. Ich habe dein Lager zu Ina in die Schreibstube bringen lassen.«
    Ich danke, laufe zum Hofbrunnen, trinke und stapfe dann hinüber zum Garten. An seinem Ende, vor dem Heckenzaun, finde ich im blassen Sternenlicht die Reihe mit den ausgezogenen Möhren. Die wollte ich heute Nachmittag eigentlich in den Erdkeller tragen.
    Â»Heute ist Gallustag*«, hatte Effelin in der Frühe beim Aufstehen gesagt. »Später als St. -Gallustag im Garten Frucht nicht bleiben mag! – So heißt die Wetterregel. Es eilt, dass wir die Möhren, Rüben und den Kohl einlagern!«
    Was für ein schlimmer Tag daraus geworden ist.
    Mit den Händen voll Möhren kehre ich zum Brunnen zurück, säubere sie und stecke mir gleich eine von den leckeren Früchten in den Mund. Sie schmeckt frisch und süß. Bestimmt besser als das Aschenbrot aus Avas Küche. Kauend, mit vollen Backen, gehe ich über den Hof zu Inas Schreibstube hinüber.
    An ihrem abgeschrägten Schreibpult sitzt Ina und malt Buchstaben aufs Pergament. Sie dreht sich kurz nach mir um, nickt mir zu und schreibt weiter.
    Â»Du musst neue Tinte machen«, sagt sie, während ich mein Nachtlager in Augenschein nehme. »Meine geht zu Ende. Und du musst mir neue Schreibfedern schneiden. Ich

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