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Jesus von Nazareth - Band II

Jesus von Nazareth - Band II

Titel: Jesus von Nazareth - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedikt XVI
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Königtum gewesen, und Sacharja lässt von dieser Überlieferung her den neuen Friedenskönig auf dem Esel in die Heilige Stadt reiten. Aber schon zu Zeiten Sacharjas und noch mehr zur Zeit Jesu war das Pferd zum Ausdruck der Macht der Mächtigen und der Esel zum Tier der Armen und so zum Bild eines ganz anderen Königtums geworden.
    Und gewiss, Sacharja kündigt ein Reich „von Meer zu Meer“ an. Aber gerade damit verlässt er den nationalen Rahmen und weist auf eine neue Universalität hin, in der die Welt Gottes Frieden findet und über alle Grenzen hinweg in der Anbetung des einen Gottes geeint ist. In dem Reich, von dem er spricht, sind die Kriegsbogen zerbrochen. Was bei ihm noch eine geheimnisvolle Visionist, deren konkrete Gestalt beim Blick auf das von fern her Kommende nicht deutlich werden konnte, klärt sich langsam im Wirken Jesu, kann jedoch erst nach der Auferstehung und auf dem Weg des Evangeliums zu den Heiden allmählich seine Form gewinnen. Aber auch im Augenblick des Einzugs Jesu in Jerusalem gab der Zusammenhang mit der späten Prophetie, in die Jesus sein Tun einordnete, seiner Geste eine Richtung, die der zelotischen Interpretation radikal entgegenstand.
    Bei Sacharja hatte Jesus nicht nur das Bild des auf dem Esel kommenden Friedenskönigs gefunden, sondern auch die Vision des getöteten Hirten, der durch seinen Tod rettet, und des Weiteren das Bild vom Durchbohrten, auf den alle hinschauen werden. Der andere große Bezugsrahmen, in dem er sein Wirken sah, war die Vision des leidenden Gottesknechtes, der dienend sein Leben für die vielen hingibt und so Heil bringt (vgl. Jes 52,13   –   53,12). Diese späte Prophetie ist der Deuteschlüssel, mit dem Jesus das Alte Testament öffnet; von ihr her wird er dann nach Ostern selbst der Schlüssel, um Gesetz und Propheten neu zu lesen.
     
    Kommen wir nun zu den Deuteworten, mit denen Jesus selbst die Gebärde der Tempelreinigung auslegt. Halten wir uns zunächst an Markus, mit dem Matthäus und Lukas bei kleineren Variationen übereinstimmen. Nach dem Akt der Reinigung „lehrte Jesus“, so berichtet uns Markus. Das Wesentliche dieser „Lehre“ sieht er zusammengefasst in Jesu Wort: „Steht nicht geschrieben: Mein Haus wird ein Haus des Gebets für alle Völker genannt werden? Ihr aber habt es zu einer Räuberhöhle gemacht“ (11,17). In dieser Zusammenfassung von Jesu „Lehre“über den Tempel sind – wie wir schon sahen – zwei Prophetenworte verschmolzen.
    Da ist zunächst die universalistische Vision des Propheten Jesaja (56,7) von einer Zukunft, in der alle Völker im Haus Gottes den Herrn als den einen Gott anbeten. In der Struktur des Tempels ist der riesige Vorhof der Heiden, in dem das Ganze spielt, der offen gehaltene Raum, der alle Welt einlädt, dort zu dem einzigen Gott zu beten. Die Aktion Jesu unterstreicht diese innere Offenheit der Erwartung, die im Glauben Israels lebte. Auch wenn Jesus sein eigenes Wirken bewusst auf Israel beschränkt, ist ihm immer die universalistische Tendenz zu eigen, Israel so zu öffnen, dass alle in seinem Gott den einen gemeinsamen Gott der ganzen Welt erkennen können. Auf die Frage, was Jesus der Menschheit eigentlich gebracht hat, hatten wir im ersten Teil geantwortet, er habe Gott zu den Völkern gebracht (S.   73). Gerade um diese Grundabsicht geht es seinem Wort gemäß in der Tempelreinigung: wegzunehmen, was der gemeinsamen Erkenntnis und Anbetung Gottes entgegensteht – also dem gemeinsamen Anbeten den Raum aufzutun.
     
    In die gleiche Richtung weist eine kleine Szene, die Johannes über den „Palmsonntag“ berichtet. Dabei müssen wir freilich gegenwärtig halten, dass nach Johannes die Tempelreinigung am
ersten
Pascha Jesu, zu Beginn seines Wirkens, stattgefunden hat. Die Synoptiker erzählen – wie wir es schon sahen – hingegen nur von
einem
Pascha Jesu, und so fällt notwendigerweise die Tempelreinigung in die letzten Tage seines Wirkens überhaupt. Während die Exegese bis vor Kurzem mehrheitlich davon ausging, dass die Datierung des heiligen Johannes „theologisch“und nicht biographisch-chronologisch exakt sei, sieht man heute immer deutlicher die Gründe, die für eine auch chronologisch exakte Datierung seitens des vierten Evangelisten sprechen, der sich hier wie auch sonst bei aller theologischen Durchdringung des Stoffes sehr genau über Zeiten, Orte und Abläufe informiert zeigt. Aber in diese letztlich sekundäre Diskussion brauchen wir hier nicht

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