Jesuslatschen - Größe 42
jemand die alltäglichen Belange der hier wohnenden
Menschen wahrnimmt.
Als Dank für alle mir entgegengebrachten
„Bequemlichkeiten“, halte ich mit einbrechender Dämmerung eine gestenreiche
chaplineske Rede auf dem historischen Balkon. Niemand wird sie gehört haben,
aber es war ein Heidenspaß. Nun liege ich fast heiser im Kinostuhlreihenhimmelbett
und träume von „Lichter der Großstadt“.
Gute Nacht, Charly Chaplin.
Freitag, 21.04.2006
Onton - Castro Urdiales - Laredo
Geschlafen habe ich ganz miserabel auf diesen
Stühlen. Ich warte ab, bis das Tageslicht mir erlaubt, die sieben Sachen zu
packen und etwas aufzuräumen, um dann den Ratssaal ordentlicher zu verlassen,
als ich ihn vorfand. Von lautem Gebell begleitet, lege ich den Schlüssel in das
Fenster von Pedros Konsum-Bar. Es ist gerade einmal 6:30 Uhr. Wie sich ein Hund
um die Zeit schon so ereifern kann? Der Morgen lässt mich in einem völlig
falschen Licht erscheinen. Ungewaschen, ohne Frühstück, total verschlafen,
zwölf Kilo auf dem Rücken, mit Blasen an den Füßen fühle ich mich eher wie ein
Landstreicher, als die Person, welche ich gestern um diese Zeit noch war.
Unterhalb einer hohen Brücke erspähe ich eine kleine Bude mit einem Parkplatz
davor. Frühstücksträume sprießen und lassen die Schritte schneller werden.
Fehlanzeige. Der Laden hat zu. Hinter dem Parkplatz ergießt sich in Richtung
Meer eine riesengroße Müllkippe.
Über die Landstraße geht es am „roten
Kilometerstein“ querfeldein und steil bergab direkt zu einem kleinen Strand.
Dort wasche ich mich bei Nieselregen im Meer. Die Zähne werden mit dem Wasser
aus der Trinkflasche geputzt. Meine Füße vertragen im jetzigen Zustand das
Meerwasser nicht. Sie fangen unterwegs an zu brennen, in den Blasen hat sich
noch mehr Wasser angesammelt. Vorerst haben die beiden striktes Badeverbot!
Eine Morgenstimmung will sich nicht einfinden, denn der Himmel zieht sich mit
grauen Regenwolken zu und es regnet ungehemmt. Verzweifelte Versuche, wichtige
Sachen in Folietüten zu verpacken, kommen zu spät.
Der Rucksack ist durchgeweicht, die Bücher, die Sachen und selbst meine
Dokumente sind nass.
Die Stadt Castro Urdiales taucht vor mir auf und ich im Dauerregen unter. Castro Urdiales ist ein imposantes, etwas verschlafenes Städtchen am Meer. Bezeichnend für den
ersten Eindruck ist die eigenwillig geflieste Strandpromenade. Sie lässt diesen
Ort trotz des Regenwetters hell aussehen. Die Blicke landen unwillkürlich auf
den Mauern der ehrwürdigen Festung „Santa Anna“. Palmenreihen verleihen dem
Platz das unverwechselbar südliche Flair. Der abgeschottete alte Hafen mit
kleinen gemütlichen Kneipen, Straßencafés und Restaurants sowie eine
sehenswerte Altstadt runden das einladende Bild dieser Stadt ab. Das Leben
vergangener Zeiten spiegelt sich in den engen Gassen des Stadtkerns. Ebenso
wirkt die „Bar Alfredo“, direkt am Hafen. Hier ist das Ursprüngliche moderner
denn je. Oftmals vermittelt gerade die Einfachheit der Dinge eine Geborgenheit,
nach welcher man sich im Leben sehnt. Der frische Kaffee duftet zur Tür hinaus
und vermischt sich mit den verschiedensten Aromen dieses Morgens.
In der Alfredo-Bar genieße ich die Trockenzeit
und sauge diese Atmosphäre mit allen Sinnen in mich ein. Eine gläserne Auslage
am Tresen birgt verschiedene kulinarische Leckerbissen. Ich wähle einige
sorgsam zubereitete Tapas aus. Sehr schmackhaft und empfehlenswert sind die
Jakobsmuscheln. Als Pilger kommt man an deren symbolträchtigen Genuss nicht
vorbei. Übrigens, hier in der „Bar Alfredo“ werden Jakobsmuscheln
traditionsgemäß in ihrer Schale serviert.
Durch streng geregelte Fangauflagen ist der
Erhalt von Jakobsmuscheln geschützt. Diese Tiere dürfen nur im Winter von
November bis März gefischt werden. Somit ist sicher auch der Preis für diese
Muscheln zu erklären.
Die morgendliche Geschäftigkeit lässt nicht
die geringste Spur von Hektik aufkommen. Allein schon dieses Treiben zu
beobachten ist erholsam. Auf einem kleinen Hügel hinterm Hafen findet man Reste
der Templerburg „Castillo de Santa Ana“. Deren Turm diente später als
Leuchtturm. Vor der Burg gelegen, trotzt die Kirche „Santa María“ Wind und
Wetter. Im Kirchenschiff herrscht eine absolut stille Atmosphäre für die innere
Einkehr. Wohltuende Augenblicke an diesem total verregneten Tag. Mit Wind und
Regen als ständige Begleiter geht es weiter über Brachland immer am
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