Jesuslatschen - Größe 42
Straße
überhaupt nicht statt. Unterwegs, weit vor dem Ort Mogro ,
trabe ich auf einer endlosen staubigen Piste, welche an einer Schnellstraße
entlang fuhrt . Anspruchslose
Bambusgewächse begrenzen diese Einöde. Nach ein paar staubigen Kilometern,
treffe ich auf den „schnell-sprechenden José“ oder trifft er auf mich? Ihn
frage ich nach dem rechten Weg. José spricht eine Art „ speed -spanenglisch“,
nach zirka dreißig längeren Sätzen verstand ich nur „viel Glück“, „ for Miles“ und seinen Namen. Auf diese Sprachattacke folgt
ein ausgiebiges Händeschütteln. Und so schnell wie José gekommen war, so
schnell ist José auch wieder entschwunden. Spurlos! Warum hat José nicht
langsamer gesprochen? Mit „ for Miles“ hat er sicher
Recht gehabt, aber ich habe dadurch zwei mal vier Kilometer Umweg. Denn der
richtige Weg hätte über eine alte einfache Brücke, den sogenannten „Eisenpfad“,
geführt. Josés Weg führt mich auch nach Mogro , bloß
auf der falschen Seite des Flusses „ Pas “. Also dann
eben mal umsonst fünf Kilometer am Fluss entlang, in Mogro über eine alte Brücke gepilgert, um am anderen Ufer wieder vier Kilometer
zurück laufen zu müssen. Ein Trost bleibt, denn selbst wenn ich Spanisch
sprechen könnte, José hätte ich auch dann nicht verstanden. Hat er etwa seine
Sprache der Schnellstraße angepasst?
Unspektakulär durchschreite ich graues,
dumpfes Industrienebelland. Die qualmenden Schlote des „ Solway “
Konzerns vernebeln hier das gesamte Umfeld. Zeitversetzt erlebe ich noch einmal
Szenen meiner chemiegebeutelten Kindheit. Die Zeitmaschine meiner Gedanken
bringt mich nicht etwa in den Chemieunterricht der Schulzeit. Nein, es werden
Erinnerungen an die Staub und Asche speienden Dreckschleudern der Chemiewerke „ Buna “ und „Leuna“ geweckt. Diese verdunkelten mit ihrem
Dunst den Himmel über Merseburg.
In Polonco qualmt es
aus allen Rohren, der Ort wird von einem stumpfen Grauschleier überzogen, gegen
welchen selbst die Sonne nicht ankommt.
Ganz in der Nähe soll sich eine Herberge
befinden. Diese suche ich gar nicht erst auf, denn in dieser Wolke möchte ich
nicht übernach-ten. Dann würde ich schon lieber weiter draußen in freier Natur
den Schlafsack ausrollen. Somit steht mein Entschluss fest, ich gehe weiter bis
zur nächsten, zwölf Kilometer entfernten, Herberge. Wie ich im Nachhinein von
anderen Pilgern erfahre, ist die Herberge in Polonco durchaus empfehlenswert. Sie soll keinesfalls mit ihrem Umfeld auf gleiche
Stufe gestellt werden.
In Barreda bestelle
ich mir in einem kleinen Restaurant ein Menü. Das Essen ist ebenso
geschmacklos, wie diese unwirtliche Industriewüste. Die Kartoffelsuppe als Vorsuppe schmeckt gut, was folgt sind Paprikaschoten,
gefüllt mit Pampekäse und zerlaufener Pampe obendrauf
und dazu ein Tässchen lauer Kaffee.
Noch zehn Kilometer bis zur Albergue!
Scheinbar endlose Asphaltwege verbinden kleine Streusiedlungen miteinander. An
einigen Höfen leuchtet schon die Außenbeleuchtung, nun wird es aber höchste
Zeit, eine Bleibe zu finden. Die letzten paar Kilometer strecken sich in die
Länge. Meine Socken beginnen zu qualmen. Endlich weist ein Bewohner auf einen
kleinen Hügel in zwei Kilometern Entfernung und versichert mir, dass ich dort
Unterkunft bekomme. Die Herberge säumt eine mannshohe Hecke von Gabis
Lieblingsblumen, diese gelben Margeriten. Vor dem Haus sitzen vier Leute in den
letzten Strahlen der Abendsonne. Einen von den Herren kann ich zuordnen, das
ist der Franzose, welcher mich gestern angesprochen und nur ein stummes Lächeln
erhalten hat. Wir begrüßen uns freudig, da wir uns ja zumindest schon einmal
gesehen haben. Ein weiterer französischer Pilger begrüßt mich. Dessen
Pilgerstab ist mir gestern in Santander wegen seiner, einem Bischofstab
ähnelnden Form, aufgefallen. Irgendwie schwingen wir auf einer Wellenlänge. Ich
schätze sein Alter auf knappe sechzig Jahre. Wir verständigen uns so gut es
geht in englischer Sprache.
Weiterhin gesellt sich noch ein junger Spanier
zu unserer Runde. Dann kommen Donna Iris, eine kräftige kleine, Frohmut
ausstrahlende Frau, und ihr Mann hinzu. Sie sind Hausherren fühlen sich den
Pilgern sehr eng verbunden. Beide sind von Grund auf herzlich. Alles wird in
familiärer Atmosphäre und ganz locker angegangen.
„Von woher kommt ihr und in welchen Etappen
seid ihr gelaufen?“, das sind so die Fragen, die interessieren. Nach dem Wohin
braucht man in dieser
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