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Jesuslatschen - Größe 42

Jesuslatschen - Größe 42

Titel: Jesuslatschen - Größe 42 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Paul
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das Wesen seines Glaubens
nahe zu bringen. „Santo Toribio de Libana “ ist für
ihn etwas ganz Besonderes, in diesem Kloster, eingebettet von den bizarren
Bergen des Gebirges „ Picos de Europa“, bewahren die
Mönche die größte Reliquie des „heiligen Kreuzes Christi“. Für diesen
besonderen Ort hätte ich, nach seiner Aussage, mindestens sechzig Kilometer
mehr einplanen müssen. Das ist zuviel , da ich auch
zeitlich eingeschränkt bin. So nehme ich Felipe mehr und mehr die Illusion,
mich zu bekehren, diesen Ort heimzusuchen.
    Unsere Sprachbarriere sorgt dafür, dass sich
zwischen uns eine Gefühlssprache entwickelt. Bis weit nach Mitternacht sitzen
wir zusammen, schauen uns Bilder an, reden mit Worten, Gesten, Skizzen und in
Augenblicken. Themen sind unsere Jugendzeit, Freunde, Musik, die Natur und
Sachen, die uns berühren. Dazu gehören auch die Kriege, die Entwicklung in
Europa, es ist einfach ein freier Gedankenaustausch. Wir merken, wie ähnlich
sich zwei Menschen unterschiedlichen Glaubens, Sprache sowie Kultur sein
können.
    Total müde, aber froh, finde ich dann zwar
keine Ruhe, aber irgendwann Schlaf.
     
    Gute Nacht, Felipe.

Sonntag, 23.04.2006
    Güemes   -   Santander
     
    Endlich eingeschlafen und schon wieder
ausgeschlafen. Draußen wird es gerade hell, der Morgen ist vernebelt und es
nieselt leicht.
    Wie kann man nach solchen Strapazen so zeitig
wach sein? Felipe taucht etwas verschlafen, aber breit lächelnd, aus dem Nebel
auf und begrüßt mich. Er gibt zu verstehen, dass er gerade das Frühstück
vorbereitet. Die Zeit am Morgen weiß ich sehr zu schätzen und freue mich auf
den Kaffee und etwas Ruhe vor dem weiteren Weg. Im Gemeinschaftsraum schafft
Felipe heißen Kaffee, Milch, Kekse, Chips, Donuts und Baguette herbei, während
ich in der Laube mein Ränzlein schnüre. Da sich meine Vorräte eher bescheiden
ausnehmen, überlege ich, was ich denn beisteuern kann. Im Rucksack befindet
sich nur noch die Chili-Schokolade. Diese hat mein Freund Elz mir mit auf den Weg gegeben. Sogleich liegt die Schokoladentafel auf dem Tisch
und rundet mit ihrer Schärfe unser Mahl ab. Felipe isst eigenartigerweise Kaffee- Einbrock . Als Kinder haben wir Brocken altbackener Brötchen
in eine große Tasse mit frischer Milch gebröselt. Anschließend kam noch eine
gehörige Portion Zucker obenauf und fertig war der Einbrock .
Dieses Müsliersatzprodukt musste anschließend noch ein paar Minuten
durchziehen. Hatte es die richtige Konsistenz erreicht, wurde es mit großem
Genuss gelöffelt und geschlürft. Auch mein Gegenüber isst diese fast vergessene
Milchspeise in gerade erwähnter Form.
    Das einzige längere Wort, welches er in nahezu
perfektem Deutsch spricht, ist übrigens „Reiseführer“, und trotzdem
unterhielten wir uns gestern den ganzen Abend.
    Der Hausherr geht kurzzeitig weg und als er
wieder vor mir steht, reicht er mir einen Rosenkranz. Das heißt, eine einfache
Kette mit neunundfünfzig Perlen und einem Kreuz. Von den Katholiken wird diese
als Gebetskette benutzt. Ich zögere diese Gabe anzunehmen, da ich nicht dieser
Konfession angehöre. Felipe erklärt mir, dass er diese Kette aus dem
französischen Wallfahrtsort Lourdes mitgebracht hat, und dass Gott mich auf den
Weg nach Santiago de Compostela schützen wird. Ist das ein Segen für mich?
Gewiss. Was folgt, ist der Eintrag in das Gästebuch. Frei nach Rolf Hochhuth
schreibe ich: „Jede Zeit baut Pyramiden, hier in Güemes steht eine.“ Diese
Herberge hat eine Seele.
    Nahe am Ausgang, steht auf einem kleinen Tisch
eine Spendendose mit der Aufschrift „DONATIVO“. Für die hier erfahrene
Gastlichkeit, bedanke ich mich mit einer Spende, sollen noch viele Pilger den
Weg hierher finden und so offenherzig aufgenommen werden. Anhand des
Gästebuches ist deutlich zu erkennen, dass die Pilger aus Deutschland in dieser
Herberge tatsächlich in der Überzahl sind. Dem Selbstauslöserfoto mit Felipe und Peregrino Rudi vor dem Haus, folgt ein
herzlicher Abschied. Irgendwie bekomme ich plötzlich noch zwei Päckchen Biskuit
Zwieback und etwas zu Trinken überreicht.
    Die Sonne scheint durch den Morgendunst.
Felipe sagt: „ Neblo levantar “,
und gestikuliert dabei mit beiden Armen, welche er etwas gebeugt, parallel vor
dem Körper nach oben führt. Was soviel heißt wie „der
Nebel steigt“.
    Mit dem Nebel steige ich die nächste
Hügelkette hinauf in Richtung Santander. Die Landschaft ist im weiteren Verlauf
streckenweise sehr eintönig.

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