Jesuslatschen - Größe 42
wie man in der Albergue um
Aufenthalt bittet. Ich trat an den kleinen Empfangstresen, versuchte es in
Englisch: „ Rooms for one night , please ?“
Das ist meine erste bescheidene Frage. Rrrrums , das
war der erste Kracher. Denn der Herr hinterm Tresen spricht perfekt Deutsch. Er
meint, das Haus sei eine Pilgerunterkunft und kein Hotel.
Ein Pilger aus Österreich meint etwas
belustigt im „Wiener-Schmäh“: „ Ahoa , a Gentleman aus Measebuag (soll heißen Merseburg).“ Peinlich, aber Recht
hat er ja.
Im Raum sind schon die fünf unteren Kojen der
acht Doppelstockbetten belegt. Es ist eine Unruhe im Raum, ein Kommen und
Gehen. Einige schlafen oder dösen nur so herum. Überall hängt Wäsche zum
Trocknen, Wanderschuhe dampfen neben den Betten. Man grüßt, sucht sich eine
Liege, dann ist erst mal jeder irgendwie für sich. Als mich jemand auf
Französisch anspricht, kann ich leider nur mild lächeln und die Schultern
hochziehen, ähnlich wie der Blinde unterwegs in Onton .
Man verstummt in solchen Situationen unvermittelt, wenn man Bahnhof versteht.
Es hängt aber auch von dem Gegenüber ab. Ob er kommunizieren möchte oder
einfach nur fragt und dann abblendet. Wie in diesem Fall. Besser ist schon, man
beherrscht zumindest eine Fremdsprache. Damit würdigt man sicher die Bewohner
des jeweiligen Landes.
Sobald ein Waschbecken frei ist, wasche ich
erst mal die übliche SOS-Wäsche und suche nach einer Möglichkeit, diese auch
noch zu trocknen. An der Außenwand befindet sich ein Wäschetrockner, wie man
ihn aus alten italienischen Filmen kennt. So richtig zum Leine ziehen, mit
einer quietschenden Umlenkrolle. Die Wäsche weht nun in bester Gesellschaft
verschiedener, ebenfalls tropfender, Textilien an der Hauswand über den Straßen
von Santander. Sicher inspiriert mich das Bild unbewusst, heute beim Italiener
zu speisen.
Der Italiener meiner Wahl kocht ein
Sonntagsessen, es gibt Fisch und Pasta. Ein kräftiger Espresso erweckt neue
Lebensgeister. Alles in allem eine Wohltat für Leib und Seele. Also kochen
können sie, die Spanier, wenn’s auch in dem Falle Italiener sind. Mit Flipflops
an den geschundenen Plattfüßen, schlage ich mich anschließend zu einem doch
ziemlich beschwerlichen Sonntagsspaziergang breit. Die Promenade ist von
flanierenden Menschen total überlaufenen. Am Ende dieser Tour, möchte ich
einfach nur noch auf dem Bett liegen und mich nicht mehr bewegen müssen.
Die Umsetzung dieser Vorstellung in die Tat
gestaltet sich schwieriger als gedacht. Denn in meiner Abwesenheit hat sich die
Herberge sichtlich gefüllt. Unter anderem hat auch ein junges Ehepaar aus
Deutschland im Raum Quartier bezogen. Das ist ja nun nichts Überraschendes in
einer Pilgerherberge. Das Besondere ist, die zwei sind mit ihren kleinen
Kindern unterwegs. Die Eltern tragen ihre beiden Sprösslinge in jeweils einer
Tragekiepe auf dem Rücken. Die Kleinen, so etwa achtzehn Monate jung, sind von
den Tagesanstrengungen ziemlich müde und geschafft. Vater und Mutter haben alle
Hände voll zu tun, sich und die Kinder zu versorgen. Eine Aussicht auf
Nachtruhe schmilzt wie Schnee unter der gleißenden spanischen Sonne. Die Kinder
finden, der Übermüdung geschuldet, keinen Schlaf.
Und so kommt, was kommen muss. Die Augen sind
zwar zu, aber die Ohren vernehmen einfach den ganzen Abend, bis in die Nacht
hinein, das müde Gequengel der beiden Kinder. Es wird
euch einfach nur zuviel zugemutet.
Schlaft gut, Kinder und träumt was Schönes.
Montag, 24.04.2006
Santander - Morgo - Barreda
Die Rolle quietscht verräterisch, als ich am frühen
Morgen Wäsche am Fenster einhole. Hoffentlich wird niemand wach. In Ruhe packe
ich meine sieben Sachen und verlasse ganz leise den Schlafraum. Die beiden
Kinder schlafen sichtlich entspannt neben ihren Eltern.
Eine Café-Bar bereitet mich auf das Leben in
dieser Stadt vor. Ich meine natürlich damit, die alles übertönenden, das
Lebenselixier „Café Solo“ ausspeienden, Espressoautomaten. Nicht zu vergessen,
die dazugehörigen dampfenden und zischenden Milchaufschäumer ,
welche in jeder Café-Bar ihr lautes Unwesen treiben dürfen. Um diese frühe Zeit
grenzt der Lärm an Körperverletzung. So viel Geräusch für so ein wohltuendes,
und anregendes Heißgetränk. Die allgegenwärtigen Gesänge der Winkelschleifer
habe ich heute noch nicht vernommen. Dafür tobt hier vor dem Café ein
zweispuriger Kreisverkehr mit sechs Nebenstraßen. Natur findet in dieser
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