Jesuslatschen - Größe 42
Gesellschaft nicht fragen. Donna Iris lädt uns zum Essen
ein.
Wir nehmen in ihrem kombinierten
Pilger-Wohnzimmer Platz und lassen uns Brot, gebratene Eier, Wurst und Käse
schmecken. Diese Familie lebt, wie auch schon Felipe, mit und für die Pilger.
Deren Alltag spielt sich in dem großen Wohnzimmer der Gastgeber ab. Es bietet
genügend Platz für zwölf müde Pilger. Das Bettenzimmer nimmt sich dagegen eher
klein aus. Vier Doppelstockbetten finden in diesem Raum gerade so Platz. Ich
suche mir eine Koje aus. Es ist nicht übertrieben, aber ich glaube, in den
Betten haben schon zweihundert Jahre lang Pilger ihre müden Häupter gebettet.
Denn diese Kojen hängen dermaßen durch, dass man meint, in einer Hängematte zu
liegen.
Gérald, der französische Pilger mit dem
„Bischofstab“, zeigt mir viele praktische Dinge seiner Ausrüstung. Als er
meinen gepackten Rucksack anhebt, stutzt er und gibt mir zu Verstehen ,
dass ich eindeutig zuviel mit mir herumtrage. Ich
gebe zu, dass der Rucksack seine Pfunde hat, habe mich aber einfach an die
zusätzliche Last gewöhnt. Gérald erklärt, dass er maximal acht Kilo Gepäck im
Rucksack hat. An meinem Schwergewicht gemessen, sind das genau vier Kilo weniger.
Das überzeugt mich. Umgehend beginne ich alle Dinge aus dem Rucksackinneren auf
das Hängebett zu legen. Nun wird aussortiert. Zur Ballastseite gelegt wurden:
eine Jeans, ein dicker Pullover, verschiedene Toilettenartikel, Schwiegermutters Regenschirm, der elektrische
Rasierapparat, der Super 8 Film, ein englisches Wörterbuch und die
Gürteltasche, das sind zusammen bestimmt zwei Kilo Ballast. Allmählich gelange
ich zu der Überzeugung, dass diese Dinge auf den folgenden Kilometern nicht
zwingend gebraucht werden.
Am späteren Abend kommen noch drei Bekannte
der Gastgeber zu Besuch. Sie setzten sich mit an den langen Tisch, es wird noch
erzählt und gelacht. Für Momente entsteht ein Gefühl der Zusammengehörigkeit,
man ist einfach nur zusammen und genießt es. Im Fernseher läuft der
Wetterbericht für Morgen, er verspricht schönes Wetter. Ganz allmählich zieht
sich einer nach dem anderen zurück aus dieser ehrlichen Gemütlichkeit. Hier
kann man beruhigt einschlafen. Gerade dieses Einfache schätze ich sehr.
So uns Pilgern ähnlich, haben sich die
Menschen in meiner Kindheit zusammen gefunden. Die Einfachheit der Dinge ist
verloren gegangen und kehrt so nicht zurück. Donna Iris und ihr Mann tun so
viel für ihnen unbekannte Menschen, schätzen jeden gleich und bewirten ihn wie
einen Freund.
Buenas Noche, Donna Iris.
Dienstag,
25.04.2006
Barreda - Santilla del Mar - Cobreces - Comillas
Frühmorgens steht schon Toast und Kaffee
bereit. Wie schon am Abend sitzen wir gemeinsam am Tisch und frühstücken, ganz in
Familie. Es ist ein kleines Geschenk, so in den neuen Tag starten zu können.
Wir vier berucksackten Mannsbilder verabschieden uns
herzlich und begeben uns voller Erwartungen auf den Weg. Der junge Spanier
beschleunigt auf den nächsten Kilometern allmählich sein Tempo, grüßt uns von
weitem und zieht davon. Nun lauf ich also mit zwei Franzosen, von denen einer
fortwährend redet und das sehr laut und ausdrucksvoll. Es scheint mir, dass
dieser für sich eine Art Chanson rezitiert. Denn der andere Kamerad, mein
„Ausrüstungsberater“, kommentiert diesen literarisch-musikalischen Sprechgesang
kaum. An einer Wegkreuzung verabschieden wir uns von dem literarischen
Schöngeist und laufen in Richtung Altamira. Gestern Abend hatten wir uns
verständigt, heute, quasi als Kultureinlage, die weltbekannten Steinzeithöhlen
zu besichtigen. Die Höhlen liegen etwas außerhalb der Stadt, eingebettet in
eine Hügellandschaft. Diese Extratour, hinein in einen etwas vernebelten
Morgen, nutzen wir zum Kennenlernen. Im Gehen einigen wir uns auf Gérald und
Rudi (der Aussprache wegen). Gérald spricht natürlich Französisch, Englisch,
etwas Spanisch und gebrochen Deutsch. So erklären wir uns gegenseitig die
betreffenden Dinge. Von unterhalten kann aus meiner Sicht heraus nicht die Rede
sein. Dazu benötige ich noch zusätzlich beide Hände.
Wie wir so gestikulierend, unsere Sprachen
verstümmelnd durch das Land ziehen, kann es vor vierzehntausend Jahren
ausgesehen und sich angehört haben. Zu jener Zeit, als vielleicht zwei
Steinzeitmenschen zufällig den gleichen Weg zur Höhle beschritten und sich in
ihrer damaligen Sprache artikuliert haben. Die beiden Höhlenmaler hatten einen
Vorteil, es
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