Jesuslatschen - Größe 42
eine Ehrung widerfährt.
Ich
lege beide Hände auf das Schwert und schließe die Augen, Energie fließt, helle
Streifen, ähnlich den parallelen Linien eines Strichcodes, fluten mein inneres
Auge. Niemand kann die Bedeutung erfassen, welche dieser eine Augenblick mit
sich gebracht hat. Keiner ahnt, was mich in diesem Moment bewegt.
Ich
habe es gewusst, ich bin nicht umsonst los. Der Jakobsweg ist ein Wunderweg und
kein gewöhnlicher Wanderweg. Wo kommt das her? Fragt nicht. Genießt solche wunderbaren
Augenblicke in eurem Leben. Es geht schon in Ordnung. Ich habe zu Fuß hierher
gefunden, ohne Videopräsentation, ohne Reisebüro, ohne Busrundfahrt, ohne
Treuebonus, ohne Handy, ohne Tom-Tom, von niemandem ein Wort. Und trotzdem all inclusive .
Laut
Paolo Coelho, ist die Intuition das Alphabet Gottes. Dieses Alphabet möchte ich
begreifen lernen, der Anfang ist gemacht. Mit neuen Kräften und Freude gehe ich
weiter auf der selbst beschriebenen Umleitung.
In
einem, einer Werkstatt ähnlichen, Kramladen bedient mich ein älterer Verkäufer
in einem blauen Arbeitskittel. Er verkauft mir Milch, einen Apfel und einen
Bogen Schleifpapier. Auch einen Wagenheber, Arbeitshandschuhe, Puddingpulver
und Strauchtomaten finden sich im Angebot. Selbst diese werden ihren Kunden
finden. Interessant ist oftmals die Zusammenstellung der Angebotspalette. Hier
spielen langjährige Erfahrungswerte und Intuition eine große Rolle.
Werbestrategen von Supermärkten haben hier nichts zu suchen. Ehrlichkeit
beherrscht hier den Markt und den Menschen.
Auf
den Kirchenstufen findet sich ein geeignetes Plätzchen für das zweite
Frühstück. Anschließend rufe ich von einer Telefonzelle aus meinen Vater an und
fühle mich gleich wieder wie zu Hause.
Hallo, hier ist Paul.
Die
herzliche Art wie er sich freut, mich begrüßt und dann wieder von den ganz
einfachen, alltäglichen Dingen erzählt. Ob das nun die Wettermeldung oder ein
kaputter Fahrradschlauch ist. Es kann alles sein. Einmalig. Gabi ist zufällig
in seiner Nähe und Vater übergibt ihr den Hörer. Meinen emotionalen
Überschwang, erzeugt durch die heute beschriebenen Begebenheiten, versteht sie
vollkommen. Sie rät mir aber, die Ereignisse erst mal ruhen zu lassen. Ich
solle das Erlebte einfach annehmen und verarbeiten. Gabi kennt mich sehr gut,
sie weiß wie ich mich über unscheinbare Sachen freuen kann.
Morgen
besuchen Gabi und mein Vater mein Vater das Bad Lauchstädter Goethe-Theater.
Gezeigt wird die Zauberflöte. Außergewöhnlich an dieser Inszenierung ist, dass
der Papageno als Pinguin dargestellt wird. Was ist da
zu viel? Mozarts Zauberflöte ist doch eigentlich schon alles. Gerade diese
Freimaureroper spielt genau in mein heutiges Tageserlebnis hinein. Sehen sich
doch die Freimaurer als geheime Erben der Templer an. Tempelritter habe ich im weiteren
Tagesverlauf zwar nicht gesehen, dafür aber zwei völlig geschaffte italienische
Pilger, wartend an einer Bahnstation.
Dass
sie eine Etappe mit dem Zug überbrücken möchten, hatten sie schon gestern
angekündigt. Patricia ist einfach platt. Am späten Nachmittag erreiche ich,
zwar physisch geschafft, aber frohen Mutes, den Küstenort Navia .
Zum Anlass dieses, für mich besonderen Tages, möchte ich heute einfach feiern.
Eine Herberge gibt es im Ort nicht. Das Hotelzimmer bietet den gleichen
einfachen Komfort wie eine Herberge und ist dazu noch eine Räucherhöhle. Der
Hoteltante habe ich zwar versucht klarzumachen, dass ich gern in einem
Nichtraucherzimmer übernachten möchte. Sicher habe ich wieder einmal eine
Vokabel verwechselt, nun sitze ich hier in diesem möblierten Aschenbecher.
Nach
einer Schlafpause gestaltete sich der Spaziergang durch Navia ganz heiter. Ein überlaufend voller Antikladen, dessen Schätze sich bis auf die
Straße ergießen, lädt mich ein weiteres Mal zum Trödeln ein. Meine Augen sind
in all dem Kram auf der Suche nach einem geeigneten Etui für das Schwert, das
mir Gabi mit auf den Weg gegeben hat. Dieses finde ich hier leider nicht, so
wie ich es mir vorstelle. Aus einer Vitrine heraus, erblickt mich ein
daumengroßer Pilger aus Zinn. Auf einem hölzernen, wurmstichigen Sockel steht
er da und guckt. Der soll es sein. Er wird mich mein Leben lang an diesen
überraschenden Tag und an die damit verbundenen Gefühle und Freuden erinnern.
Ehe ich mir irgendein hochglanzpoliertes Andenken mitnehme, sollte der Pilger
meiner Träume schon eine Patina haben. Sicher wird er
Weitere Kostenlose Bücher