Jesuslatschen - Größe 42
blinkenden Haken werden umgehend neue Köder
aufgezogen. Diesmal zwei Krabben und ein kleiner Tintenfisch. Allein was sich
da in seinem Ködereimer tummelt, wäre zu Hause schon genug für eine Mahlzeit.
Wie oft wird er schon hier geangelt haben? Ein Fisch von 1,30 m Länge war sein
bislang größter Fang. Die will aber bei ihm zu Hause keiner zubereiten. Viel zu
viel. Wohin mit dem ganzen Fisch? Die kleinen, so um die dreißig Zentimeter,
wären die besten, sagt er.
Diese
ganze „Wohin mit dem Fisch-Arie“ erinnert mich ein wenig an das Buch „Das Jahr
des Gärtners“ von Carel Capek. Wenn der Gärtner dann anfängt Unmengen
Blumenkohl zu essen, nur damit er seine Überproduktion vertilgt. Oder wenn mein
Vater alljährlich versucht, seine geernteten Zucchini in rauen Mengen an den
Mann zu bringen. Señor Angler zeigt mir auf seiner Taschenuhr, wann die Flut
kommt. Im gleichen Atemzug zeige ich ihm, nicht ohne Stolz, meine stehen gebliebene Opa-Uhrzeit. Ich brauche sie nicht. Die
U(h) rzeit ist hier und jetzt. Ich frage ihn, was die
ganzen „No Mines “ Protestschilder entlang der Straßen
in der Umgebung zu bedeuten haben? Er meint, dass Kanadier und Franzosen hier
die Goldmine „ El Valle Charles“ weiter erschließen
möchten. Es werden dort Probebohrungen bis in 23 000 Meter Tiefe
vorangetrieben. Die Meinungen der Bevölkerung sind gespalten. Einerseits
schafft der Abbau Arbeitsplätze, andererseits wird das Gesicht der Natur in
dieser Region Asturiens für immer zerstört. Die
Proteste sind massiv, bislang aber ohne spürbare Wirkung auf diese „ Local Heros“.
„ Aqui No“(hier nicht), sind die letzten energischen Worte
des alten Mannes. Ob sie dem Angelplatz gelten oder den Goldminen? Bestimmt
beiden. Das Anglerglück ist ihm an der Stelle nicht hold, zuviel „ Comar “. Somit zieht der ältere Herr dann doch noch
einmal mit seiner bescheidenen Ausrüstung um. Ich sehe den Mann dort in den
steilen Klippen herumklettern, mit Gummistiefeln an den Füßen, er kommt mir so
jung vor, weil er einfach in seinem Element ist. Manch ältere Herrschaften
haben einfach keinen Antrieb mehr. Sie stürzen an einer bestimmten Stelle
einfach ein. Wie manche der alten Gebäude unterwegs. Zwei Fische hat er in
kurzer Zeit am Haken, er zeigt sie mir von weitem. Mein erhobener Daumen zollt
dem Fang Tribut. Er grüßte zurück, ein zustimmendes Nicken. Wir verstehen uns
über verschiedene Klippen hinweg, nicht nur über die steinernen. Ich möchte auch
von diesem Ort nicht mehr weg.
Mit
lautem Getöse krachen gerade mächtige Brecher auf die vorgelagerten Felsen, ein
Schauspiel, wie das Meer mit Gewalt auf das Land trifft. Ich gehe wieder an
Land, die steilen Treppen zum Refugio hinauf, kurz in die Herberge und dann in
Richtung Ortskern. Jetzt werde ich erst mal etwas Einkäufen ,
um den arg geplünderten Rucksackkühlschrank aufzufüllen. Es beruhigt ungemein,
wenn man weiß, dass man unterwegs auf Reserven zurückgreifen kann. Bei der Wahl
der kleinen Köstlichkeiten überdenke ich meine jetzige Situation und komme
abgewandelt von einem ähnlichen Spruch zu der Erkenntnis: „Essen ist die Erotik
des Pilgers.“
Unterwegs
bemerke ich erschrocken, dass ich beim Einkauf meinen Stock stehen gelassen
habe. Da andere Geschäfte schon schließen, renne ich zurück. Das Geschäft hat
leider auch schon geschlossen. So ein Mist. Am morgigen Sonntag bekomme ich ihn
sicher auch nicht zurück. Noch einen Tag länger hierzubleiben, das wäre
unnötiger Zeitverlust. Ohne den Pilgerstock weitergehen? Unmöglich! Das der
Verlust eines Wanderstabes einmal so tragisch sein kann, hätte ich mir nicht
träumen lassen. Entlang einer Hinterhofstraße erreiche ich die Ortsmitte. Am
Marktplatz gehe ich in einen noch geöffneten Krämerladen. Dieser ist vollgestopft
mit allem, was man irgendwie für Geld erwerben kann. Eine alte Frau, sie mag
schon fünfundachtzig Jahre alt sein, hat den Laden offensichtlich voll im
Griff. Auf die Frage bezüglich des Geschäftes, in welchem nun verwaist mein
Pilgerstock steht, bekomme ich nur ein hilfloses Achselzucken und einen
fragenden Blick. Sie bedauert es, mir keinen Stock verkaufen zu können. Also
hat sie mich wirklich nicht verstanden. Akustisch und linguistisch nicht.
Durch
verwinkelte Straßen gelange ich zum Hafen. Spanische Gitarrenmusik saugt mich
in die Bar „ Fado “. Keine schlechte Wahl, tausend CDs
und ständig gute Musik auf die Ohren. Latino , Reggae
und Fado eben. Das „ Fado
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