Jesuslatschen - Größe 42
“,
übrigens eines der wenigen kleinen Bistros ohne Fernseher. Kaum zu glauben,
aber wahr, ein Traum.
An
der gegenüberliegenden Hauswand tanzen Bürstenschatten zur Fado Musik. Die Erklärung dafür ist, dass um diese späte Stunde eine Frau vom
Fenster aus mit einer Art Schrubber ihre Hauswand entkankert .
Durch das Licht der Straßenlaternen, werfen die Bürsten Schatten auf die
Hauswand. So entsteht ein bewegtes Bild zu dieser ausdrucksstarken Musik. In
einer deutschen Großstadt hätte ein geeigneter Künstler daraus eine Performance
gemacht. Hier erfindet sich die Kunst auf der Straße, für den der sie findet,
neu.
Neben
mir sitzt ein Paar, jeder mit einem scharfen Handy bewaffnet, beide stieren
dumpf auf ihre Handtelefonapparate. Es wird pausenlos gemailt und gewählt. Dann folgt: „Hola, claro, si, si, si, claro, claro, adiós...“ Für mich war klaro , dass dieses Paar nur mit Handys wirklich echt ist.
Echt, was???
Dann
ist da noch Paula, das Kleinkind. Die Kleine darf wirklich alles. Unter den
Stammgästen ist niemand, der Paula einen Wunsch abschlägt. Paula ist das
glücklichste, da einziges, Kind der kleinen Fado -Welt.
Paula, tut mir leid Paul muss
dann mal los
Nach
Paula kommt der Regen. Ich zahle und habe es plötzlich sehr eilig.
Der
Grund des Wettlaufes ist meine am Steilufer wehende Wäsche am Steilufer. „ Question of time“ von Depeche Mode lässt mich rennen. Ich erreichte die Herberg’
mit Müh’ und Not. Die fast trockene Wäsche auf der Leine ist tot, aber nur weil
es sich reimt. Ich meine natürlich nass. Schade, nun muss die Wäsche wieder in
aller Öffentlichkeit am Rucksack trocknen. Schon habe ich es bereut, mich
entgegen der hiesigen Gepflogenheiten dermaßen beeilt zu haben. Hier nimmt sich
jeder, einfach seine „Zwanzig Minuten“. Diese zwanzig Minuten sind auch aus dem
Buch „Auf dem Jakobsweg“ von Coelho. Er meint damit, jeder sollte täglich
zwanzig Minuten lang seine Bewegung oder Geschwindigkeit um die Hälfte
reduzieren. Man sieht im Alltag niemanden rennen. Ich bin heute schon zweimal
gerannt. Einmal wegen des Stockes und das andere mal wegen der Wäsche. Wem hat es genutzt, frag ich mich wirklich?
In
der Herberge hat sich zu später Stunde noch ein Gast eingefunden. Marcus aus
Iserlohn. Er ist ein junger Fotograf und macht alles und nichts. Den Weg sieht
er als Möglichkeit, Menschen und Objekten näherzukommen. Surfen, fotografieren,
gehen, frei sein. Ihm ist es egal, ob er in Santiago ankommt. Den Neoprenanzug
immer im Rucksack. Eine irre Mischung, die ich absolut akzeptiere. Er ist jung!
Er möchte mir morgen mit seinen Spanischkenntnissen helfen, den Pilgerstock
wiederzubekommen. Draußen gähnt die Nacht, Marcus verabschiedet sich in
Richtung Hafen. Für ihn geht das Leben jetzt los, für mich fängt die Nacht an.
Ich beteuere an dieser Stelle, dass ich nicht unglücklich bin. Dieser herrliche
Tag steht mit seinen Eindrücken hinter mir, und ich schlafe glücklich ein.
Gute
Nacht, Pescador.
Sonntag,
07.05.2006
Taipa de Casariego - Ribadeo
Heute
ist Sonntag. Würdig beginne ich diesen Tag. Auf dem Fels über dem brausenden
Meer gibt es als Sonntags-Frühstück eine Art Zwieback und Milch, dazu ungestüme
Natur. Mee (h)r geht wirklich nicht. Vor mir eröffnet
sich durch eine Grotte ein Blick durch den mächtigen Felsen. Ein von den
schroffen Rändern der Höhle begrenztes Bild zeigt mir durch den Fels hindurch
die gegenüberliegende Bucht. Ein ganz anderes Bild, weil die Sonne dort flach
und etwas dunstig ihre Lichtstrahlen bricht und vor dieser gewaltigen Kulisse
Schatten erzeugt. Es entsteht in mir eine einmalige Stimmung mit der Natur so
den Tag zu beginnen. Der rote Brief von Gabi ist heute meine Frühstückszeitung
und lässt ungetrübte Freude aufkommen.
„Dem
gehört die Welt, der sie sich nimmt!
Dem
seine Welt lassen, um seine eigene nicht zu verlieren.“
Die
beiden Sätze sind für mich die Kernaussage aus den Zeilen. Das Wichtigste ist
es nun mal, mit diesem Vertrauen und einer solchen Klarheit gehen zu können.
Nur Liebe kann einem diese Freiheit nahe bringen.
Als
ich in die Herberge komme, liegt Marcus noch in seinem Schlafsack. Gestern ist
es sicher etwas später geworden. Er schält sich so langsam in den Tag, nebenher
unterhalten wir uns vorwiegend über die Fotografie. Während er sich wäscht,
sehe ich mir eine kleine Fotomappe mit seinen Arbeiten an. Hauptsächlich sehe
ich Porträts junger
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