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Jetlag

Jetlag

Titel: Jetlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edna Schuchardt
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aus.
    "Als Mel damals zu mir kam, wild entschlossen zu heiraten, da habe ich ihr gesagt, daß sie einfach noch eine Weile auf die Weide gehört. Sie war nicht reif für eine dauerhafte, verantwortungsvolle Beziehung. Weißt du, sie hat heimlich noch mit ihrem albernen Bären Poldi gespielt."
    "Das tut sie heute noch", raffte sich Bruno auf, leise einzuwerfen.
    "Na siehst du." Claire klappte den Deckel über den Filter und schaltete die Maschine an. "Heiraten, das war für sie ein Spiel, so wie wir es häufig als Kinder gespielt haben. Mel drapierte ein Laken um sich, setzte den alten Brautschleier ihrer Mutter auf und ich bekam einen ollen Hut auf den Kopf. Und dann spielten wir "heiraten" und anschließend "Ehepaar". Ich mußte zur Arbeit gehen, will heißen, ich war aus dem Rennen, weil Männer in unserer guten deutschen Familie einfach nicht vorkommen, und Melanie hantierte mit dem Puppengeschirr herum, werkelte und schaffte und fuhr ihren Teddybären spazieren. So, das war Mels Welt und an die glaubte sie noch, als sie dreiundzwanzig war und sich in den Kopf setzte, dich heiraten zu wollen. Aber anders als in ihrer Traumwelt, kommst du abends nach Hause und bist eben ab und zu einfach anwesend." Claire hob die Schultern. "Mel weiß gar nicht, was Leben wirklich heißt. Bruno, sie ist ein Kind, hast du das verstanden?"
    Er hatte Claire die ganze Zeit nicht angeblickt, sondern seinen Kopf in den Händen vergraben, dumpf vor sich hingestarrt. Aber jetzt sah er auf. Seine Augen musterten Claire mit einer Mischung aus Bewunderung und Zweifeln.
    "Wir sind bis über beide Ohren verschuldet." Bruno war wirklich verstört. Claire empfand plötzlich grenzenloses Mitleid mit ihm. "Mel hat überhaupt keine Beziehung zum Geld. Sie kauft, was ihr gefällt, bloß weil etwas hübsch ist, oder weil sie es einfach gerne haben möchte. Und dauernd will sie ausgehen, in Restaurants und Diskotheken und auf Partys. Aber das können wir uns einfach nicht leisten. Ich habe versucht, ihr das begreiflich zu machen, doch sie sagt immer nur, daß ich der Mann bin und dafür zu sorgen habe, daß genügend Geld im Haus ist und sie sich nicht langweilt."
    "Du wußtest vorher, daß Mel aus einer betuchten Familie stammt", murmelte Claire hilflos.
    Melanies Eltern vergötterten ihre Tochter und hatten ihr immer alle Wünsche von den Augen abgelesen. Das Wort "Sparen" kam in Melanies Wortschatz überhaupt nicht vor, weil sie es nie zuvor gehört hatte.
    "Ja, aber ich dachte nicht, daß es solche Schwierigkeiten geben würde." Bruno lehnte sich zurück und schloß die Lider. Erst jetzt fielen Claire die dunklen Schatten unter seinen Augen auf. Er mußte total erschöpft sein, ausgelaugt von den Sorgen um seine Ehe und die wirtschaftliche Situation, in der er sich befand.
    "Weißt du", fuhr er mit schleppender Stimme fort. "Ich war so sicher, daß wir es schaffen würden. Ich liebe Mel wirklich, das kannst du mir glauben. Und ich wollte wirklich alles tun, um sie glücklich zu machen. Aber zu meinen Schwiegereltern kriechen und sie um Geld bitten, das bringe ich einfach nicht. Die betrachten mich doch sowieso als Versager. Nach deren Meinung ist jeder, der kein Jahreseinkommen von hundertzwanzigtausend Mark aufwärts im Jahr hat, ein Penner."
    Die Kaffeemaschine gab gurgelnde Geräusche von sich. Sie war nicht mehr in bestem Zustand, aber Claire weigerte sich, sie auszurangieren, solange noch ein Tropfen Wasser durch die Leitungen lief. Automatisch versetzte sie dem Apparat einen Schlag mit der flachen Hand, woraufhin das Gerät leise arbeitete.
    "Ihr habt euch also gestritten?" resümierte Claire, als Bruno wieder in dumpfes Schweigen zu verfallen drohte.
    Er nickte mit Leichenbittermiene.
    "Und wie!" Sein Blick lebte kurzfristig auf, als Claire Becher aus der Anrichte holte und begann, sie mit Kaffee zu füllen. "Ich hatte Mel gerade am Morgen gebeten, sich mit den Ausgaben etwas zurückzuhalten. Als ich abends nach Hause kam, saß ihr doofer Bär mitten auf der Couch und sie war gerade dabei, ihm einen nagelneuen Pyjama überzuziehen. Als ich sie fragte, was das soll, erklärte sie mir, daß sie das Ding in irgendeiner Kinderboutique erstanden hat. Da bin ich eben explodiert."
    "Und Mel ist davongelaufen?" Claire stellte einen Becher vor Bruno ab und machte es sich selbst in dem alten Schaukelstuhl vom Sperrmüll bequem.
    "Mhmmm." Vorsichtig blies Bruno über seinen Kaffee, bevor er ihn in kleinen Schlucken trank. "Sie hat einfach ein paar

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