Jetlag
in Europa sind."
"Tja, Mutter und ich, wir haben dich eindeutig vor dieser Reise gewarnt", lautete Bertrams vorwurfsvolle Antwort. "Bleibe im Lande und ernähre dich redlich, das hat schon unser Vater gesagt und davor unser Großvater. Man sollte erst einmal seine eigene Heimat kennenlernen, bevor man in der Welt herumzieht."
Claire spürte Ungeduld in sich aufsteigen.
"Ja, Bertram, das hatten wir schon", erwiderte sie scharf. "Was ist los? Du rufst doch nicht ohne Grund an."
Falls Bertram beleidigt war, ließ er es sich nicht anmerken.
"Stimmt", gab er ihr recht. "Ich hatte es dir ja schon angedeutet. Mutter möchte, daß wir endlich einen Termin für die Hochzeit festlegen. Deshalb möchte ich dich bitten, morgen abend zu uns zu kommen. Dann können wir in Ruhe über alles reden. Wir erwarten dich um zwanzig Uhr. Ist dir das recht?"
Nein, hätte Claire am liebsten geantwortet, aber sie beherrschte sich.
"Morgen Abend paßt es mir gar nicht", verpackte sie ihre Ablehnung etwas freundlicher. "Ich erwarte morgen eine große Lieferung, die Sonny und ich nach Feierabend auspacken und sortieren müssen. Können wir das Gespräch nicht auf's Wochenende verlegen? Das würde mir zeitlich viel besser passen."
Bertram seufzte genervt. Er haßte es, sich nach anderen Menschen richten zu müssen.
"Am Wochenende wollen Mutter und ich eigentlich mit dir zu Tante Henni fahren." Das war eine weitere, niederschmetternde Neuigkeit. Tante Henni zählte stolze siebenundachtzig Jahre, war schwerhörig und ständig schlecht gelaunt. Ein Wochenende bei ihr verleben zu müssen, war so ungefähr das Letzte, was Claire sich wünschte. "Sie feiert doch ihren achtundachtzigsten Geburtstag und da wollen wir natürlich dabei sein. Es wäre schön, wenn wir ihr dann schon mitteilen könnten, wann denn nun die Hochzeit sein wird. Sie wartet schon so lange darauf."
Das glaubte Claire keinesfalls. Tante Henni war es vollkommen schnuppe, wann ihr Großneffe in den heiligen Stand der Ehe trat, weil sie sowieso in ihrer eigenen, muffigen Welt lebte.
"Also, morgen kann ich nicht", beschloß Claire, die Sache rundweg abzulehnen. "Wir müssen eben einen anderen Termin finden. So eilig ist es ja auch nicht."
"Manchmal habe ich den Eindruck, du willst gar nicht heiraten", maulte Bertram beleidigt, ohne zu ahnen, wie nahe der Wahrheit kam. "Immer hast du irgend eine Ausrede. Aber wir können doch nicht ewig als Verlobte herumlaufen. Mutter möchte sich endlich beruhigt aus dem Geschäft zurückziehen können. Das ist aber nur möglich, wenn sie weiß, daß ich versorgt bin."
Ich muß doch wohl verrückt sein, eine Ehe mit diesem Mann auch nur in Erwägung zu ziehen! schoß es Claire durch den Kopf. Wann hatte das angefangen? Wann hatte sich Bertram als ein derartiges Muttersöhnchen entpuppt?
"Laß uns ein anderes Mal darüber reden", sagte sie schnell, um das Gespräch beenden zu können. "Ich habe zu tun. Der Laden ist voll, ich muß mich um meine Kunden kümmern."
"Das finde ich jetzt aber wirklich nicht gut", protestierte Bertram in beleidigtem Tonfall. "Schließlich geht es um unsere Zukunft. Aber bitte, ich werde mich wohl fügen müssen. Ich rufe dann heute abend noch einmal an. Bis dahin hast du Zeit, dir noch einmal zu überlegen, was dir wirklich wichtig ist." Er legte auf, bevor Claire noch etwas sagen konnte.
Na prima, dachte sie deprimiert. Das hatte sie nun davon: Bertram war beleidigt und würde jetzt nur noch hartnäckiger versuchen, sie zu diesem Treffen zu überreden.
Ich muß der Sache ein Ende machen, dachte sie, während sie in den Verkaufsraum zurückkehrte. So geht es schließlich nicht weiter. Ich kann Bertram nicht dauernd in dem Glauben lassen, wir würden heiraten, wenn ich mir hundertprozentig sicher bin, das ich das auf gar keinen Fall möchte. Ich muß ganz einfach endlich, endlich, meinen inneren Schweinehund überwinden und die Tatsachen auf den Tisch packen.
Sonny war gerade dabei, Frau Dörfeld zu bedienen, eine schwierige Kundin, die in sämtlichen Geschäften in und um Wiesbaden gefürchtet wurde und deshalb mit dem Spitznamen "Störfeld" belegt worden war, als Claire in den Verkaufsraum zurückkehrte.
"Hier ist aber ein Fleck", behauptete die Störfeld gerade störrisch. "Sehen Sie doch mal genau hin. Da müssen Sie mir schon einen gewissen Preisnachlaß gewähren."
Sylvia Stördörfeld fand immer irgend etwas an der angebotenen Ware auszusetzen, um es dann billiger erstehen zu können. Ihr
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