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Jetlag

Jetlag

Titel: Jetlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edna Schuchardt
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bringen. Es war zwei Uhr nachmittags, als sie wieder erwachte. Der Anblick des Frühstücks, das Melanie ihr servierte, rief leichte Übelkeit in Claire hervor. Sie beschloß, sich mit einer Tasse Kaffee und etwas Toast zu begnügen und erst einmal in die Boutique zu fahren, um dort nach dem rechten zu sehen.
    Rita hatte das Geschäft während ihrer Abwesenheit umsichtig und erfolgreich geleitet. Doch sie ließ keinen Zweifel daran aufkommen, daß sie froh war, sich jetzt wieder um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern zu können. Rita war eigentlich Schriftstellerin, zur Zeit arbeitete sie an einem Kriminalroman, den sie Claire zuliebe vernachlässigt hatte. Aber jetzt freute sie sich darauf, wieder an die Arbeit gehen zu können.
    Claire versprach, ab dem kommenden Tag die Boutique zu übernehmen und nahm sich fest vor, ihren Lebensrhythmus schnellstens wieder in den Griff zu bekommen.
    Aber das ist nicht so leicht, wenn man weiß, was das Wort "Jetlag" bedeutet. Man ist wach, wenn andere Leute hundemüde zu Bett gehen, ist dafür aber schlagskaputt, wenn draußen das Leben tobt. Zu den unmöglichsten Zeiten hat man Hunger - kurz, man findet sich überhaupt nicht zurecht.
    Claire jedenfalls kam überhaupt nicht in die Gänge. Wenn sie morgens zur Arbeit schlich, hätte sie sich am liebsten in die nächste Ecke verkrümelt, um in Ruhe zu schlafen. Ihr unterliefen Fehler, die noch nicht einmal einem Lehrling am ersten Tag passiert wären, dazu kam ein allgemeines körperliches Unwohlsein, daß ihr den Appetit nahm und sie sich ständig etwas schwindelig fühlen ließ.
    Dazu kamen die Anrufe von David, die die Sehnsucht nach ihm nicht abklingen ließen. Manchmal war Claire drauf und dran, ihre Sachen zu packen und nach Amerika abzudampfen. Aber ihre Vernunft hinderte sie an solch überstürzten Aktionen.
    Zudem gab es ja noch Melanie, die ihr zusätzliche Aufregungen bescherte. Die Freundin schien nicht bereit zu sein, sich mit ihrem Ehemann zu arrangieren. Im Gegenteil, die neugewonnene Freiheit gefiel Mel so gut, daß sie keinen Gedanken daran verschwendete, wie es Bruno wohl zwischenzeitlich ergehen mochte. Sie schlief morgens lange und machte sich abends auf den Weg, die verschiedenen Diskotheken in der Umgebung zu erobern. Bereits am zweiten Tag ihres Hierseins erzählte sie Claire begeistert, daß ihr einer der DJs einen Job als Gogogirl angeboten habe.
    "Ich dachte, die wären längst out", wunderte sich Claire, als Mel sich ausgeschwärmt hatte. "Sowas gab's mal in den verrückten Sechzigern, aber danach?"
    "Die sind immer noch aktuell!" behauptete Melanie überzeugt. "Allerdings nur in den wirklich großen Discos. Du, der Typ sagt, ich könne mich so toll bewegen, das wäre bestimmt mein Ding. Und Geld bringt's auch und man lernt jede Menge tolle Leute kennen. Na, nun sag schon, findest du das nicht auch klasse?"
    Claire hob ratlos die Schultern.
    "Ich weiß nicht", versuchte sie auszuweichen. "Du solltest dir die Sache erst einmal ansehen..."
    "Du bist genauso spießig wie Bruno und wie meine Eltern!" Wenn man nicht einer Meinung mit Melanie war, dann war man automatisch ein Spießer. "Immer fragt ihr nach Sicherheit und ob das auch gut ist. Nie fragt ihr, ob man Spaß hat. Aber ich will Spaß. Wenn ich mal alt und häßlich bin, kann ich noch lange genug vernünftig sein."
    Claire seufzte genervt. Sie war müde, der Tag war lang und anstrengend gewesen. Alles, was sie sich momentan wünschte, war eine Tasse Tee und ein warmes, weiches Bett.
    "Wenn du meinst, daß es dir Spaß macht und du es unbedingt tun willst, dann werd' halt Gogogirl", meinte sie resigniert in der Hoffnung, damit die Diskussion zu beenden, aber Melanie war jetzt sauer.
    "Es ist dir also egal, aha!" Beleidigt trippelte sie zur Tür, blieb dort aber noch einmal stehen. "Ich dachte, du seist meine beste Freundin. Aber ich habe mich wohl getäuscht. Du denkst auch bloß an dich und an deine Probleme. Was andere Leute für Sorgen haben, ist dir wurscht."
    Claire überlegte, ob sie auf diese Vorwürfe eingehen sollte, aber Mel hatte das Zimmer bereits verlassen. Auch gut, Claire war sowieso zu müde, um sich jetzt noch herumzustreiten oder ellenlange Grundsatzdiskussionen zu führen. Mit letzter Energie stand sie auf, schlich in die Küche und setzte das Teewasser auf.

Kapitel 10
    Drei Tage nach ihrer Rückkehr, erschien Bruno in der Boutique. Claire war gerade dabei, zusammen mit Sonny, ihrer Verkäuferin, eine neue Lieferung Winterpullover

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