Jetlag
Sachen zusammengerafft und ist auf und davon. Ich dachte, sie rennt dreimal um den Block, das macht sie nämlich manchmal, wenn wir uns zoffen, und dann ist sie wieder da. Aber als sie nach einer Stunde nicht zurück war, begann ich doch, mir Sorgen zu machen."
Er unterbrach sich und warf Claire einen um Entschuldigung heischenden Blick zu.
"Du, sag mal, es klingt unverschämt. Aber hättest du vielleicht eine Kleinigkeit zu beißen da? Ich weiß gar nicht mehr, wann ich das letzte Mal was zum Essen bekommen habe."
"Klar doch." Claire erhob sich, um in dem uralten Kühlschrank nach Lebensmitteln zu fahnden.
Bruno berichtete indessen, wie er zunächst alle infrage kommenden Freunde und Bekannten abgerufen hatte und schließlich durch ganz Düsseldorf gerast war, um seine Frau zu suchen. Schließlich hatte er sich in den Wagen gesetzt und war zu Mels Eltern gefahren, um sich persönlich davon zu überzeugen, daß Mel tatsächlich nicht bei ihnen war.
Natürlich hatten ihm die Breuers die Hölle heiß gemacht. Karl Breuer wollte sogar einen Detektiv einschalten, wenn es Bruno nicht gelang, seine Frau binnen vierundzwanzig Stunden aufzufinden. Als letzte Hoffnung hatte Bruno sich dann an Claire gewandt, neben den Breuers die heftigste Gegnerin der Eheschließung und somit immer ein wenig seine Rivalin.
"Hat sie irgendwas gesagt, ob sie vielleicht daran denkt, zurückzukommen?" fragte Bruno, als er sich ein wenig erholt und mit einem Käsebrot gestärkt hatte.
Claire nahm wieder in ihrem Schaukelstuhl Platz.
"Eigentlich nicht..." Wie brachte man einem verlassenen Ehemann bei, daß sich seine Frau gerade prima ohne ihn amüsierte und mit keiner Silbe an ihn dachte? "Ich meine - na ja - weißt du, du solltest Mel einfach Zeit lassen. Oder vielleicht solltest du ihr auch mal ganz klar sagen, was du von ihr erwartest. Schließlich müssen beide etwas in die Beziehung einbringen. Also, ehrlich gesagt, ich weiß nicht, was du tun solltest. Mel ist - nun, sie ist eben ein verwöhntes Kind."
Bruno nickte, noch an den Resten seines Brots kauend.
"Ich glaube, ich sollte jetzt erst einmal ihre Eltern anrufen", entschied er, nachdem er die Krümel mit einem Schluck Kaffee hinuntergespült hatte. "Und dann sehen wir weiter."
"Bruno!" Claire war aufgesprungen. "Aber sieh bitte zu, daß du mir die Breuers vom Hals hältst. Giselas aufgeregtes Gluckengetue und Karls Großkotzgehabe kann ich momentan wirklich nicht ertragen. Ehrlich, ja, Bruno? Halt sie mir vom Hals!"
"Ich werd' sehen, was ich tun kann", versprach Bruno, aber es klang nicht sehr überzeugend.
Kapitel 11
Nach dem Telefonat, das recht turbulent ausfiel, weil die Breuers zwischen Erleichterung, Anschuldigungen, Beschimpfungen und dem ehernen Versprechen, sich von nun ab wieder selbst um ihr Herzblatt kümmern zu wollen, hin- und herspringend einen riesen Terz veranstalteten.
Dummerweise verriet Bruno ihnen auch, wo sich Mel zur Zeit aufhielt, was bedeutete, daß Karl und Gisela sich umgehend in ihren Wagen schwingen und nach Wiesbaden brausen würden. Bei Karls Verfassung war in spätestens einer halben Stunde mit ihm zu rechnen.
Das einzig Tröstliche an der Geschichte war, daß sich das Drama in Claires Wohnung abspielen würde. Da Claire aber noch mindestens neun Stunden in der Boutique bleiben mußte, hatte sich wahrscheinlich der schlimmste Rauch verzogen bis sie nach Hause kam. Vielleicht nahmen die Breuers ja wirklich ihre Tochter mit nach Kronberg, dann hatte Claire endlich wieder ihre Ruhe.
Sie sandte ein stummes Stoßgebet gen Himmel, während sie Bruno zur Tür brachte. Ach, bitte lieber Gott, mach', daß sie alle verschwunden sind, wenn ich nach Hause komme.
Leider war der Angesprochene gerade anderweitig beschäftigt und hörte mal wieder nicht zu...
Kapitel 12
Brunos tränenreicher Besuch am Morgen war nur der Auftakt zu einem äußerst turbulenten Tag. Kaum hatte sich nämlich die Ladentür hinter ihm geschlossen, da klingelte auch schon das Telefon. Sonny, die das Gespräch entgegennahm, schnitt eine komische Grimasse, ehe sie den Hörer an Claire weiterreichte, die sich zögernd meldete.
"Liebste, ich bin es, Bertram", tönte ihr Bertrams stets etwas schleppend klingende Stimme ins Ohr. "Hast du dich inzwischen von der Reise erholt?"
"Es geht", meinte Claire vorsichtig. "Ich habe noch mit den üblichen Umstellungsschwierigkeiten zu tun, aber ich versuche, sie zu ignorieren. Irgendwann wird mein Organismus ja begreifen, daß wir wieder
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