Jetlag
es immer tat, wenn er intensiv zuhörte.
"Du rufst mich doch sofort an, wenn das Baby da ist?" fragte Claire, eigentlich nur, um das Gespräch nicht beenden zu müssen.
"Ich rufe dich doch jeden Tag an", flüsterte Davids Stimme dicht an ihrem Ohr. "Ich rufe dich so lange an, bis du endlich meinen Heiratsantrag annimmst oder bis mir die Telefongesellschaft die Leitung kappt."
"Das wird bald passieren, wenn du jeden Tag solche Dauergespräche führst", neckte Claire ihn daraufhin zärtlich, was David aber nicht sonderlich berührte.
"Ich kann mir ja einen Zweitjob suchen, um die Telefonrechnung zu bezahlen. Besser wäre es allerdings, wenn du endlich 'ja' sagen würdest."
"Nicht schon wieder Dave."
"Doch, immer und immer wieder."
"Dann rede ich einfach nicht mehr mit dir."
"Dann komme ich nach Deutschland und campiere vor deiner Tür."
Claire beschloß, das Gespräch jetzt doch lieber zu beenden.
"Ich liebe dich, Dave, aber ich will dich nicht heiraten. So, und jetzt laß uns endlich auflegen."
"Okay", gab er sofort nach. "Aber ich rufe morgen wieder an und frage dich. Mach's gut, meine Süße, ich küsse dich."
Sie hatte gerade aufgelegt, als das Telefon erneut klingelte. Diesmal war es Bert, dessen schleppender Tonfall Claire immer an Kunsthonig erinnerte.
"Ich habe es doch schon gesagt", fuhr sie ihn ungeduldig an, als er erneut darauf bestand, morgen mit ihr den Hochzeitstermin zu besprechen. "Ich kann nicht. Ich habe Arbeit. Also hör' auf zu nerven, ja! Ach, und noch eins: Ich fahre auch nicht mit zu deiner Tante Henni. Ich kann Tante Henni nicht ausstehen und sie mich nicht. Weshalb soll ich ihr und mir also das Wochenende verderben?"
"Mutter besteht aber darauf!" rief Bertram entsetzt. "Du mußt dich schon unseren familiären Gepflogenheiten anpassen, wenn du eine Kleefisch werden willst. Dazu gehört eben auch, einmal im Monat Tante Henni zu besuchen. Also richte dich für den Samstag, so gegen halb neun. Wir holen dich ab."
Claire seufzte.
"Bertram?"
"Ja?"
"Vergiß es!" Sie legte auf, bevor ihr Verlobter noch etwas sagen konnte.
Jetzt hatte sie überhaupt keinen Hunger mehr. Claire stellte alle Lebensmittel, die sie herausgeholt hatte, wieder in den Kühlschrank zurück und beschloß, den Rest des Abends vor dem Fernseher zu verbringen.
Kapitel 14
Bertram legte den Hörer mit einem bekümmerten Seufzer auf den Apparat zurück und wandte sich zu Hilde-Marie um, die ihn aufmerksam beobachtete.
"Und?" fragte sie streng, als ihr Sohn keine Anstalten machte, sich zu äußern.
Bertram riß sich zusammen.
"Sie sagt, daß sie keine Zeit hat." Rasch hob er die Hände, als befürchte er, seine Mutter könne jeden Augenblick einen Revolver zücken. "Ja, ja, ich weiß, Mama. Aber was soll ich denn machen?"
Hilde-Marie verzog spöttisch die Mundwinkel.
"Wenn du das nicht weißt, mein Lieber..." Sie drehte sich um und ging zu der schweren Ledergarnitur, die den Raum beherrschte. Das gesamte Zimmer war in wuchtig-dunkler Eiche und Leder gehalten. Schwere Vorhänge und voluminöse Schabracken engten die Fenster ein. Als einziger Farbklecks, der die düstere Atmosphäre auflockern sollte, fungierte eine bauchige Bodenvase, in der künstliche Sonnenblumen gegen den Staub ankämpften.
"So geht das nicht weiter", seufzte Hilde-Marie, als sie sich bequem zurechtgesetzt hatte. "Die Verwandtschaft tuschelt schon, weil du mit deinen fünfunddreißig Jahren immer noch nicht verheiratet bist. Da nützt es auch nichts, wenn ich ihnen erzähle, daß du seit drei Jahren verlobt bist."
"Was soll denn mit mir nicht stimmen?" fragte Bertram erstaunt, worauf seine Mutter bedeutsam die Augen verdrehte.
"Welche Gründe gibt Claire denn für ihr Fernbleiben an?" erkundigte sie sich mißtrauisch.
Bertram setzte sich in einen der ausladenden Sessel und schlug die langen Beine übereinander.
"Sie sagt, daß sie morgen eine größere Warenlieferung erwartet, die ausgepackt und etikettiert werden muß. Sie will das am Abend mit ihrer Angestellten erledigen."
Hilde-Marie stieß einen ungeduldigen Laut aus.
"Diese Spielerei mit der Boutique muß bald ein Ende haben!" bestimmte sie mit strenger Stimme. "Bertram, sorge dafür, daß ihr beiden euch einig werdet. Ich möchte auch mal an mich denken und mich ein wenig schonen dürfen."
Bertram ließ den Kopf sinken, bis sein Kinn auf der Brust lag. "Und wenn Claire mich gar nicht mehr heiraten möchte?"
Seine Frage ließ Hilde-Marie wie unter einem Nadelstich
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